Odessa und die geheime Welt der Bücher

Peter van Olmen

Aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler

Vignetten von Nicole de Cock

Dressler, August 2010

544 Seiten, € 19,95

ab 12 Jahre

Inhalt:

Die zwölfjährige Odessa lebt mit ihrer Mutter einsam und versteckt. Ihre Mutter versucht, soweit es ihr möglich ist, Odessa vor der Außenwelt abzuschirmen. Auf die bohrenden Nachfragen nach ihrem Vater bekommt Odessa nur ausweichende Antworten. Die Mutter vergräbt sich zwischen Bücher und Literatur in ihrer eigenen Bibliothek. Doch Odessa sucht sich ihre Freiheit nachts auf den Dächern ihrer Umgebung. Von dort oben entdeckt sie eines Nachts ein leuchtendes Buch, das sie magisch anzieht. Als sie das Buch in ihren Besitz bringt, wird sie von geheimnisvollen Gestalten in Kapuzenmäntel verfolgt. Außerdem beobachtet Odessa, wie ihre Mutter von schweineartigen Wesen verschleppt wird. Sie sucht Antwort auf die vielen Fragen in der bisher für sie verschlossenen Bibliothek ihrer Mutter. Hier begegnet sie dem frechen Serinus Canarius Lode A. Er eröffnet Odessa, dass ihre Mutter nicht Getrude sondern Kalliope heißt und die größte Muser aller Zeiten ist. Das leuchtende Buch ist „Buchus“, das eine ungeheure Macht besitzt und das Mabarak, ein scheinbar düsterer Schriftsteller, unbedingt in seinen Besitz bringen will. Lode A. wird Odessas Begleiter und Wegweiser nach Scribopolis, der Stadt der unsterblichen Dichter, wo sie hofft, ihre Mutter wiederzufinden und Gewissheit zu erlangen, wer ihr Vater ist.

Rezension:

Eine Welt, in der mit Musenpulver wunderbare schriftstellerische Werke entstehen, ja sogar lebendige Menschen aus den Werken heraus gezaubert werden, ist für jeden Bücherfreund ein wahrer Traum. Doch auch in Scribopolis ringen die Meister der Dichter mit Neid, Missgunst, Eifersucht und Machtgehabe miteinander. Odessa tappt hier auf der Suche nach ihrer Mutter und dem unbekannten Vater in eine für sie völlig fremde Welt hinein, in der schwere Prüfungen auf sie warten. Den berühmten Schriftstellern wie Dostojewski, Kafka oder Shakespeare begegnet sie völlig naiv und unbekümmert, da sie weder ihre Namen noch ihre Werke kennt. Das führt zu amüsanten Begegnungen und Szenerien, denn die großen alten Meister der Literatur werden ironisch und überzeichnet dargestellt. Die kompakte fantastische Geschichte in einer literarischen Parallelwelt ist in drei Teile aufgebaut, wobei der mittlere Teil mit Längen durchzogen ist. Zwar sind die Charaktere der Protagonisten eingehend beschrieben, wie z.B. Odessa, die eisern und konsequent ihr Ziel verfolgt und sich gegen alle Widerstände und Entwürdigungen hinüber wegsetzt. Der Kanarienvogel Lode A. mag in seiner Besonderheit eine kuriose Type darstellen, aber er nervt mit seiner Geschwätzigkeit, die im Laufe der Geschichte penetrant wirkt. Das ist schade, denn dadurch wird die ansonsten stimmige poetische Stimmung der Sprache immer wieder gestört. Mit dem Portal Berfea, dem Orakel (Delphi) und den zahlreich eingestreuten auferstandenen Gestalten der Weltliteratur wie z.B. Orpheus, Eurydike oder Pegasus ist Peter van Olmen ein wunderbares märchenhaftes Abenteuer um eine geheimnisvolle Verschwörung in der Welt der Literaturgeschichte gelungen, das zwar nicht durchweg seinen Spannungsbogen hält,  dies aber mit zahlreichen witzigen Einfällen  (fast) wieder in Balance bringt.  Abgerundet wird das Buch mit einem Glossar, das alle erfundenen und tatsächlichen Figuren, Personen der Literatur und dieser Geschichte beschreibt. Ein großes Kompliment an Mirjam Pressler für die feinfühlige, stimmige Übersetzung.

Schade, dass man nicht wirklich mit ein wenig Musenpulver, wenigstens hin und wieder, in die Stadt der unsterblichen Dichter eintauchen kann. Eine kurzweilige, humorvolle und sogar lehrreiche Pause vom Alltag wäre uns – wie mit diesem Buch – sicher.

Sabine Hoß

Bewertung:

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