Nina Blazon
Ravensburger, März 2010
352 Seiten, € 16,95
ab 12 Jahre
Inhalt:
Zoë bemerkt mysteriöse Veränderungen an sich. Eben hat sie sich noch mit der Tatsache auseinander gesetzt, dass ihr Exfreund mit ihrer ehemals besten Freundin zusammen ist, die Mutter in ihrer Überforderung immer mehr die Verantwortung und Betreuung ihres kleinen Bruders überlässt und damit immer weniger Freiraum bleibt. Doch während des Lauf-Trainings ist Zoë überrascht darüber, wie schnell sie plötzlich geworden ist. Außerdem riecht und hört sie auf einmal viel intensiver und kann nachts im Dunkeln alles genauso klar erkennen wie am Tage. Nachdem sie in einer Disco den geheimnisvollen und attraktiv wirkenden Irves und den unheimlichen, weil etwas verwahrlosten, Gil kennenlernt, wird sie von Unbekannten verfolgt. Als Zoë eines Nachts Heißhunger auf rohes Fleisch verspürt und sich, trotz großer Höhenangst, auf dem Dach ihres Hauses wiederfindet, glaubt sie verrückt zu werden. Gil bemüht sich behutsam, ihr die Hintergründe der körperlichen Veränderungen zu erklären und sie zu beschützen, was ihm aber nicht immer gelingt. Zoë muss sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass sie nun in zwei Welten lebt: In der Realität und in der noch für sie völlig unbekannten Welt der Panthera. Dies ist ein Kreis der gestaltenwechselnden Katzenmenschen, in der große Gefahren für Zoë lauern.
Rezension:
Dass man auch abseits der ziemlich abgegrasten Fantasythemen fesselnde Bücher finden kann, die sich vom Mainstream gekonnt abheben, beweist „Schattenauge“. Aus verschiedenen Erzählebenen wird ein vielschichtiger Roman erzählt, der nicht nur Fantasyelemente beinhaltet, sondern auch einen Krimi mit historischen Bezügen gekonnt kombiniert. Zweifelnde, fragile Persönlichkeiten sind die Grundcharaktere der beiden Hauptprotagonisten. Sie werden authentisch und klar dargestellt und entwickeln im Laufe der Geschichte eine innere Reife. Zoë, die mit den üblichen Problemen Heranwachsender kämpft, Gil, der mit seinem dunklen Teint, den schwarzen Haaren und der schwarzen Lederjacke nicht nur vom äußeren Erscheinungsbild den mysteriösen Part übernimmt, sich zudem mit der Herkunft seiner eigenen Lebensgeschichte auseinander setzen muss und Irves, der attraktive und geheimnisvolle Albino-Asiate mit weißem Haar und stets weißer Kleidung. Sie alle verfügen über übernatürliche Kräfte, der Fähigkeit der Gestaltenwandler, was sie zum einen verbindet, zum anderen aber auch gegenseitig misstrauen lässt. Diese Fähigkeit bringt eine zweite Welt mit all ihren eigenen Gesetzen, Revieransprüchen und Machstrukturen zusätzlich zu den Problemen der Realität. Jedem Protagonisten ist eine Katzenart zugeordnet, deren „Schatten“ dem Charakter und Aussehen der Person treffend zugeordnet ist, was meisterhaft gelöst wurde. Wenn sich die Katzenmenschen in ihre Schatten verwandeln, nehmen sie nicht die Tierform an, lediglich die Fähigkeiten, was bei der allgegenwärtigen Kontrolle durch Kameras in verschiedener Form klug durchdacht ist. Was jedoch nicht bedeutet, dass diese Verwandlungen problemlos und ungefährlich verlaufen. Auf unterhaltsame Weise und gut recherchiert ist die Entwicklung und Rolle der Katzenmenschen aus verschiedenen Kulturgeschichten und der Mythologie in die Handlung miteingebettet. Das Tempo der Geschichte ist wie seine Sprache lebendig bis rasant, der Spannungsbogen ist fantastisch aufgebaut und wird bis zum Schluss in einem hohen Bogen gehalten. Trotz der häufigen Wechsel von Erzähler und Orte gehen die unterschiedlichen Handlungsstränge niemals verloren, was eine gelungene handwerkliche Leistung ist. Am Ende des Buches kommen alle Handlungsfäden wieder zusammen, trotzdem werden sie nicht einfach abgekettet, vielmehr lassen sie dem Leser Platz und Raum, die Geschichte mit eigenen Gedanken fortzusetzen. Nina Blazon ist mit diesem vielgefächerten Entwicklungs-Roman eine atemberaubende, spannende Geschichte gelungen, die Fantasy, Krimi, historisch-mythische Elemente und reale Probleme junger Heranwachsender miteinander vereint. Fantasy solch ausgefallener Art, origineller Umsetzung und hoher Qualität gibt es (leider) nicht oft.
Bitte mehr davon! 🙂
Sabine Hoß
Bewertung:
Ein Interview mit der Autorin findet Ihr hier: