Ursula Poznanski
Loewe, November 2011
496 Seiten, € 14,95
ab 14 Jahre
Inhalt:
Bastian, Anfang 20, studiert Medizin nicht nur aus Überzeugung. Er will seinem Vater, der ein angesehener und ein ebenso arroganter wie selbstgerechter Arzt ist, beweisen, dass er zwar in seine Fußstapfen treten wird, dabei jedoch auf seine eigene Weise überzeugen will. Seine Lernpausen genießt er mit seiner neuen Freundin Sandra, die eine Liebhaberin des Mittelalters ist und ihn zu einem Mittelaltermarkt führt. Dort lernt Bastian nicht nur eine ganz andere Welt kennen sondern auch die anderen Freunde von Sandra, die das gleiche Hobby teilen und sich auf eine spannende Veranstaltung freuen, einer Mittelalter-Convention. Sandra zuliebe besucht Bastian dieses Live-Rollenspiel, was bedeutet, dass sich die Gruppe für fünf Tage an einem geheimen Ort in einem tiefen Wald aufhält, ohne Handy, Strom und entsprechend den Lebensgewohnheiten des 14. Jahrhunderts agieren.
Die Mitglieder der Convention kennen sich bereits aus früheren Rollenspieltreffen, nur Bastian ist der einzige neue, der von den anderen kritisch und argwöhnisch aufgenommen wird. Als die Gruppe das Ziel ihres Aufenthalts mitgeteilt bekommt, sind nicht alle begeistert. Denn schon beim letzten Mal waren sie an diesem Ort und damals gab es einige undschöne und merkwürdige Ereignisse. Dieses Waldstück gilt als verflucht, was eine alte Sage besagt, die aber von den Mitgliedern nicht wirklich ernst genommen wird. Zunächst erscheint Bastian diese merkwürdige Abenteuer, dass den Alltag in eine längst vergangene Zeit zurückkatapultieren lässt, als eine spannende, erfrischende Abwechslung. Doch als plötzlich ein Gruppenmitglied plötzlich wie vom Erdboden verschwindet und kurze Zeit später ein weiteres nicht mehr auftaucht, scheint sich der Fluch, über den bisher alle gelächelt haben, doch zu bewahrheiten. Doch was steckt hinter all diesen mysteriösen Begebenheiten und warum scheint Sandra plötzlich kein Interesse mehr an Bastian zu haben?
Rezension:
Das Mittelalter besitzt eine Faszination, die einen unglaublichen Zulauf hat, wie die zahlreichen und stets zu allen Jahreszeiten gut besuchten Mittelaltermärkte beweisen. Auch wenn wir nicht mehr wirklich in dieser Zeit leben wollen, begeistern in gewisser Weise Sprache, Musik, Traditionen dieser Epoche. Prinzen, Burgen, Schwertkämpfe und die eindeutige Obrigkeitswillkür entführen uns in eine Realität unserer Vergangenheit, die mit vielen dunklen Geheimnissen, Sagen verwoben ist und gerade deswegen wahrscheinlich so verzaubert. Diese Tatsache hat auch Ursula Poznanski für „Saeculum“ genutzt und in diese Zeit ein sehr modernes Live-Rollen-Spiel eingebunden. Hier müssen sich die Spieler von allem Angenehmen der zivilisierten Gegenwart verabschieden, wie Handy, Heftpflaster oder Medikamente für den Notfall. Sie tragen Kleidung wie im 14. Jahrhundert und müssen sich den Spielregeln und Anweisungen des zweiköpfigen Organisationsteam unterwerfen. Aus der Gruppe fallen zwei Mitspieler besonders auf, die Harfe spielende Iris, die einen gehetzten und verfolgten Eindruck macht und Doro, die keiner wirklich ernst nimmt, da sie jede nicht erklärbare Situation mit den zahlreichen Sagen in Verbindung bringt, die sie alle kennt und das Böse mit Runen abzuwehren versucht. Die Autorin hat eine Gruppe mit sozial unterschiedlichen und rätselhaften Charakteren zusammengestellt, die sie facettenreich mit Tiefe präsentiert und die immer wieder überraschen. Das Kernthema in diesem Thriller dreht sich um eine Gruppendynamik, die durch selbst aufgestellten Regeln für einen Wettkampf eine selbstvernichtende Macht ausübt, die unter dem Druck der besonderen Belastungen außer Kontrolle gerät. Doch wer und warum darf bestimmen, was noch zu den Spielregeln des ursprünglichen Rollenspiels gehört, wann sollte die Vernunft regieren und wem kann man noch vertrauen?
Ein weiterer Baustein ist die schwierige Vater-Sohn-Beziehung zwischen Bastian und seinem Vater, die sich durch den Roman zieht. Auch hier spielen Macht und die Bemühungen um einen Ausbruch aus einem scheinbar vorbestimmten Weg eine Rolle. Das Ursula Poznanski einmal als Medizinjournalistin tätig war, klingt hier an der ein oder anderen Stelle durch, was aber überhaupt nicht stört, weil es stimmig ist. Die Handlung ist nie vorhersehbar, da es immer wieder unerwartete Wendungen gibt, die den Thriller mit einem perfekt aufgebauten Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Seite kaum aus der Hand legen lässt. Mit vielen bilderreichen Beschreibung entwickelt sich die Handlung wie ein Horrorfilm, der aber dankenswert auf blutreiches Gemetzel verzichtet sondern mit einem tiefenpsychologischen Nervenkitzel begeistert. Somit darf sich der zweite Jugendroman der Autorin durchaus mit ihrem vielfach ausgezeichneten Debüt (u.a. Deutscher Jugendliteraturpreis 2010, Jugendjury) „Erebos“ messen.
Was bei diesem Buch hervorragend und zum Inhalt ausgesprochen gelungen abgestimmt wurde, ist (neben dem Titel) das schwarz-weiß gehaltene Cover mit dem etwas erhabenen geprägten Titel sowie der schwarze Blattschnitt von Christian Keller.
Sabine Hoß
Bewertung:
Ein Interview mit der Autorin findet Ihr hier: