Kristy Spencer / Tabita Lee Spencer
Arena, Januar 2012
488 Seiten, € 18,99
ab 14 Jahre
Inhalt:
Die beiden Geschwister Dawna und Indie fahren mit ihrer Mutter nach Whistling Wing. Hier haben sie bei ihrer geliebten Granny schöne Ferien verbracht, die ihre Enkelinnen über alles liebte wie sie die alte Dame. Nur die Mutter der Geschwister scheint mit ihrer Mutter gebrochen zu haben, denn es gibt keine Antworten, warum sie nicht zur Beerdigung ihrer Oma gehen durften und warum die letzten Sommerferien bei ihr nur mit viel Widerwillen ihrer Mutter bewilligt wurden. Obwohl sie viele Sommerferien bei ihrer Großmutter verbracht haben, erscheint den Geschwistern Whistling Wing irgendwie verändert, auch die Bewohner verhalten sich seltsam und es scheint ein Geheimnis über diesem Ort zu liegen. Doch das ist nicht alles, an das sich Dawna und Indie gewöhnen müssen, denn mit im Gepäck ist der neue und verhasste Freund ihrer Mutter, der als spiritueller Engelbeschwörer mysteriöse, spiritistische Sitzungen im Hause der Granny abhält. Für Dawna und Indie der pure Witz, den die beiden stehen mit beiden Beinen fest auf der Erde und haben weder für ihre Mutter und den Engel-Guru Verständnis, noch können sie mit der Tatsache leben, dass dieser Hokuspokus im Hause ihrer Großmutter stattfindet. Nachdem ein Kursteilnehmer der Engelfindungssession plötzlich auf rätselhafte Weise stirbt, unheimliche große, schwarze Vögel auftreten, die für alle eine gefährliche Bedrohung darstellen, spüren die beiden Schwester, dass sich mehr als ein für sie nicht ernst zu nehmender Okkultismus über ihnen zusammenbraut, denn offensichtlich scheinen auch sie übersinnliche Fähigkeiten zu besitzen. Was bedeutet dieses elektrisch aufgeladene Knistern, das die Beiden plötzlich zwischen sich spüren? Wieso benehmen sich die Bewohner von Whistling Wing so anders? Ganz langsam wird ihnen klar, was ihnen ihre Großmutter als „Erbe“ hinterlassen hat und müssen sich erst in diese neue Rolle zurechtfinden.
Rezension:
Zwei Schwestern, die nach eigener Aussage, „besser schießen als stricken und besser Holz hacken als kochen können“ schreiben gemeinsam ein Buch, dessen Geschichte auf einem Traum von Kristy Spencer beruht. Das hört sich zum einen merkwürdig, auf den zweiten Blick jedoch auch originell an. Die beiden Autoren-Schwestern schlüpfen als Ich-Erzählerinnen der Geschichte in die Rolle von Dawna und Indie, die 33 Tage lang gemeinsam 17 Jahre alt sind, was ebenfalls ziemlich ungewöhnlich ist. Sie verschmelzen in den unterschiedlichen Ich-Erzählperspektiven mit ihren Charakteren und geben mit ihrer eigenen Sprache einen intensiven Einblick in die jeweilige Gedanken- und Gefühlswelt . Obwohl sie Geschwister sind, die sehr viel verbindet, sich ohne Worte verständigen, könnte ihre Sprache nicht unterschiedlicher sein, die aber durchweg einen lockeren, frechen bis zu manchmal recht derben Tonus hat. Dawna ist die ruhigere, besonnenere, nachdenklichere, die auch leise Zwischentöne wahrnimmt. Indie ist mit ihrer aufbrausenden, polternden und aggressiven Art der Gegenpol, deren Zunge unüberlegt locker ist und ihre Mitmenschen damit vor den Kopf stößt. Die abwechselnde Erzählebene bei jedem neuen Kapitel entwickelt auf der einen Seite die faszinierende und schnelle Identifikation mit den beiden Hauptprotagonisten, auf der anderen Seite leidet die Spannung durch zu viele Wiederholungen von bestimmten Szenen und Empfindungen. So mag man irgendwann nicht mehr lesen, dass die beiden eine verständliche und nachvollziehbare Abneigung gegen Broccoli und erleuchtete, grüne Rohkostnahrungsmittel haben und es muss nicht immer wieder die Feindseligkeit auf den Channel-Guru Shantani erklärt werden, wie auch am Ende die Erkenntnis der Geschwister, welche Aufgabe sie durch ihre Großmutter erhalten haben. Hier wäre eine deutliche Straffung ratsam gewesen. Doch ungeachtet dessen taucht man mit Dawna und Indie in eine entrückte, düstere Welt ein, irgendwo in dem trockenen und öden Landstrich von Whistling Wing. Die Atmosphäre dieser Gegend und der Bewohner, die Spannungen zwischen den Schwestern und ihrer rastlosen, unsicheren Mutter aber auch untereinander sind lebendig und gleichzeitig mit Tiefe beschrieben. Die Geschichte hebt sich von den zahllosen Engelbücher durch die zynische Auffassung der Geschwister über alles Okkulte bemerkenswert ab. (Es bleibt zu hoffen, dass genau diese ironische Einstellung sich auch weiterhin nicht grundlegend ändert.) Raffiniert gelöst sind die in den Erzählperspektiven fließend eingeflochtenen Rückblicke zu Szenen, Gesprächen der Geschwister mit ihrer Großmutter, die in der Vergangenheit unwichtig waren, jetzt aber in einem völlig neuen Licht stehen und bedeutend werden. Nicht vergessen wurde natürlich der immer verlangte „love interest“, der aber noch auf Erfüllung wartet. Eine kompakte, geheimnisvolle Story aus zwei erzählenden Ich-Perspektiven, deren im Grunde gut aufgebauter Spannungsbogen noch deutlicher zum Vorschein gekommen wäre, hätte man auf die häufigen Wiederholungen verzichtet. Der Schluss ist in sich stimmig, lässt aber natürlich noch viele Fragen offen.
Die auf vier Bände ausgelegte Reihe ist mit einem besonderen Clou aufgestellt, denn die um sich schießenden, holzhackenden und schreibenden Geschwister sind bereits erfolgreiche Autorinnen, jede auf ihrem Gebiet. Wenn man Bücher einer der beiden kennt, wird man ziemlich schnell herauslesen, welche Federfarbe zu ihr gehört. 😉
Man wird gespannt sein, wie weit die Flügelschläge der Engel für die nächsten drei Bände ausreichen. Der Start ist jedenfalls gut gelungen!
Das Cover ist sicher Geschmackssache, trifft aber Bildgenau die Stimmung und Charaktere des Inhalts wieder, von daher darf man es als gelungen nennen.
Sabine Hoß
Bewertung: