Klassenziel
rororo rotfuchs, August 2012
288 Seiten, € 8,99
ab 14 Jahre
Inhalt:
Jamies Bruder Dominik hat bei einem Amoklauf in der gemeinsamen Schule in Viersen siebzehn Menschenleben ausgelöscht, andere schwer verletzt. Dominik selber wurde bei dem Polizeieinsatz getötet. Jamie ist zu seinem Vater nach Berlin gezogen, der bereits vor dem Amoklauf dort lebte, da die Eltern sich getrennt haben. Jamie muss sein Leben neu ordnen und aufbauen, was ihm natürlich sehr schwer fällt.Seine Mutter ist mit ihrem Freund nach Stuttgart gezogen und für Jamie war es nicht leicht, seinen Wunsch, bei seinem Vater zu leben, durchzusetzen. In Berlin begleiten ihn Erinnerungen an die Zeit vor dem Amoklauf seines Bruders und natürlich die Angst, dass die neuen Klassenkameraden herausfinden, wer er ist. Entsprechend unsicher begegnet Jamie den neuen Klassenkameraden und Lehrern. Er , der früher immer mittendrin war, kein Problem damit hatte, Freunde zu finden, fühlt sich plötzlich alleine und verloren. Er freundet sich mit Maxi an, der durch sein Übergewicht ebenfalls ein Außenseiter ist. Erst als Jamie Kenji kennenlernt, der wie er Musik liebt und in einer Band spielt, lebt er langsam auf und beginnt sich zu öffnen.
Rezension:
T.A. Wegberg hat eine Vorliebe für brisante und sehr diffizile Themen, wie er bereits in seinem Debüt „ Memory Error oder Wie mein Vater über den Jordan ging“ überzeugend gezeigt hat. In seinem zweiten Buch hat er einen Amoklauf an einer Schule zur Grundgeschichte genommen. Ein Thema, dass leider immer wieder aktuell ist und sich eher verhalten und vorsichtig in der Jugendliteratur wiederfindet. Entsprechend kritisch und gespannt ist man auf eine neue Umsetzung. Wegberg legt nicht so viel Wert darauf, aufzuzeigen, wie und warum ein Jugendlicher zu einer solchen Tat getrieben wird. Dominiks Gründe bleiben oberflächlich und sind leider stereotyp: er hat keine Freunde, es gibt Probleme in der Familie durch die Trennung seiner Eltern, er lebt zurückgezogen und hockt stundenlang vor dem PC bei Egoshooter. Das ist etwas sehr einfach und wird auch nicht tiefer ergründet, was eine Schwäche dieses Romans ist. Vielmehr versucht die Geschichte zu zeigen wie Jamie versucht, mit der Tat seines Bruders weiterzuleben und seine Zukunft neu zu ordnen. Dabei hat der Autor hat die Handlung in durchweg zwei abwechselnden Zeitperspektiven aufgebaut. In der ersten erzählt Jamie in der Vergangenheitsform von der Zeit vor und nach dem Attentat, in der zweiten in der Gegenwartsform von seinem Leben in Berlin. Dies baut nicht nur die Spannung geschickt auf sondern verbindet Vergangenheit und Gegenwart auf raffinierte Weise miteinander. Intensiv und nachfühlbar beschreibt Wegberg aus Jamies Sichtweise seine Gefühle und Zerrissenheit, die Ängste. Das Leben einer ganzen Familie ist von einen Tag auf den anderen völlig aus den Fugen geraten. Jamie hatte nie einen besonders gutes Verhältnis zu seinem Bruder. Er hat sich zwar immer wieder mal bemüht, Dominik näher zu kommen, ist aber genau so oft abgelehnt worden, so dass Jamie es irgendwann aufgegeben hat. Auch die Eltern haben nichts gemerkt, sie waren zu sehr mit ihren eigenen Beziehungsproblemen beschäftigt. Trotzdem macht sich Jamie Vorwürfe, ob man Dominiks Tat nicht hätte vorhersehen und verhindern können. Jamie ist verstört, ohne Halt und irrt eine ganze Weile ziellos herum, was nachvollziehbar ist. In seinem früheren Leben hatte er gute Freunde, war immer „mittendrin“ und hatte Spaß am Leben. Jetzt scheint alles ein Balanceakt zu sein; er weiß nicht, ob und wem er wie weit vertrauen kann. Ein langer Weg liegt vor Jamie und durch seine Liebe zur Musik, der Möglichkeit wieder in einer Band spielen zu können, öffnet er sich langsam und fasst wieder Vertrauen zu anderen. Auch wenn das Ende mir ein wenig zu betont optimistisch wirkt, ist es im Grunde stimmig.
Somit ist „Klassenziel“ ein Buch, dass nicht die Gründe eines Amoktäters analysiert, aber in einer tiefen und bewegenden Weise die verstörte Gefühlswelt eines Jugendlichen beschreibt, der nach der grausamen Tat seines Bruders sein Leben überarbeiten und eine neue Perspektive finden muss.
T.A. Wegberg hat auch mit diesem Buch ein brisantes und schwieriges Thema nicht in allen Bereichen, aber im Wesentlichen nachvollziehbar und einfühlsam beschrieben.
Das Cover ist einfach und doch prägnant und damit rundum stimmig zur Handlung.
Sabine Hoß
Bewertung: