Wer hat Angst vor Jasper Jones

Craig Silvey

Aus dem Englischen von Bettina Münch

rororo rotfuchs, September 2012

432 Seiten, € 16,95

ab 14 Jahre

 

 

Inhalt:

Der junge farbige Jasper Jones lebt als Außenseiter in der kleinen australischen Stadt Corrigan Mitte der sechziger Jahre. Sein Platz ist ein Waldstück, dass sonst keiner kennt. Eines Tages findet er dort seine Freundin Laura Wishart: Erhängt an seinem Lieblingsbaum mit seinem Seil. Für Jasper ist sofort klar, dass alle in Corrigan davon ausgehen, dass er die Tat begangen hat. Doch Jasper weiß, dass er unschuldig ist. In seiner Verzweiflung wendet er sich an den 13-jährigen Charlie und führt ihn zu seinem Waldstück. Er beteuert Charlie gegenüber seine Unschuld, denn Laura war seine Freundin. Warum hätte er sie töten sollen? Charlie ist von Jaspers wilder Freiheit und Lebensweise beeindruckt, aber dass, was er nun in dem Wald zu sehen bekommt, überfordert und überrumpelt ihn. Trotzdem hilft er Jasper dabei, Lauras Leiche verschwinden zu lassen. Mit diesem Geheimnis verbunden wollen sie auf eigene Faust herausfinden, wer Laura getötet hat. Ausgerechnet für Lauras Schwester Eliza empfindet Charlie schon seit einiger Zeit eine heimliche Liebe. Wie wird Eliza nun auf das Verschwinden ihrer Schwester reagieren – und was soll, darf Charlie tun? Charlie und auch Jasper geraten in einen Strudel von Gerüchten und falschen Verdächtigungen. Charlie erlebt einen Sommer, der ihn durch die Erkenntnis von Lug und Trug, Sein und Schein verändern lässt.

Rezension:

Schon lange im Vorfeld machte der rororo rotfuchs auf dieses Buch aufmerksam. Nicht zuletzt damit, dass es bereits zahlreiche Buchpreise und Nominierungen in Australien und England erhalten hat. Schon von der ersten Seite an in ist man in der Geschichte gefangen und bereits auf den ersten zwanzig Seiten präsentiert sich ein wuchtiger Höhepunkt. Jetzt könnte man meinen, das war`s und der Rest dümpelt dahin. Doch weit gefehlt. Craig Silvey hat es mit raffinierten Wendungen geschafft, diese dunkle, geheimnisvolle und spannungsgeladene Atmosphäre bis zum Schluss in der Geschichte zu halten. Es liegt nicht nur an der begleitenden Ermittlungsarbeit von Jasper und Charlie, die auf eigene Faust herausbekommen wollen, wer Laura Wishart getötet hat, die fesselt. Es ist die meisterhaft verwobene Mischung von Abenteuergeschichte und dem Abriss einer verlogenen Gesellschaft durch Gerüchte und falschen Verdächtigungen. Da ist die verlogene, kaputte Familie von Charlie, die sich nach außen als heiles Idyll präsentiert oder die nicht minder zerstörte Familie von Eliza und Laura Wishart. Skurrile Menschen wie Jack Lionel, über den die Bewohner Corrigans verwegene Gerüchte verbreitet haben, zeigen sich letztendlich authentisch und ehrlich. Eine gnadenlose Offenlegung von Vorurteilen, Lug und Trug, Sein und Schein ist hier in einem Australien Mitte der sechziger Jahre ohne Übertreibung aber mit dem Finger in der Wunde gelungen. Silveys Sprache ist dabei faszinierend bilderreich, fein und punktgenau treffend. Charlies bester Freund ist der Vietnamese Jeffrey. Nicht nur wegen des gerade beginnenden Vietnamkriegs ist er und seine Familie brutalen rassistischen Übergriffen ausgesetzt. Jeffreys Halt und Möglichkeit sich in seiner Umgebung in eine halbwegs sichere Position zu bringen ist seine Leidenschaft und vor allem sein sportliches Talent zum Cricket. Diese in Australien wichtige Sportart wird seitenweise und in aller Ausführlichkeit beschrieben. Für mich die einzige aber deutliche Schwäche dieses Romans, da Spielzüge und Spielbeschreibungen zu viel Raum gewidmet wird, was für die eigentliche Handlung nicht relevant ist. Da nützt auch das Glossar am Ende des Buches nichts, dass über fünf Seiten hinweg Cricket-Begriffe erklärt.

Was bleibt ist eine beeindruckende und gelungene vielschichtige Abenteuergeschichte um einen Mord, die Freundschaft, Vertrauen, gesellschaftliche Verlogenheit und Abgründe zusammenfließen lässt. Im Hintergrund gibt es eine zarte, feine Liebesgeschichte zwischen Charlie und der Eliza, der Schwester des getöteten Mädchen. Diese Liebe ist so zart wie fragil, nicht zuletzt durch Charlies Geheimnis und wird mit dem Tonus „… und sie konnten zusammen nicht kommen“ untermalt.

Der junge Autor Craig Silvey zeigt mit zitierten Passagen aus Büchern von Harper Lee und Mark Twain seine Liebe zu diesen (und anderen) amerikanischen Schriftstellern. Mit diesem Buch ist es ihm durch seinen eigenen, überzeugenden Stil und facettenreicher Sprache gelungen, eine Hommage an die bekannten Schriftsteller des amerikanischen Realismus zu präsentieren, die (bis auf die überbordende Cricketleidenschaft) ebenbürtig ist.

Für die wunderbare Sprache ist der Übersetzerin Bettina Münch eine besondere Anerkennung auszusprechen.

Das Cover macht neugierig und drückt mit der Fotomontage und passender Grafik die dunkle, geheimnisvolle Stimmung der Handlung stimmig aus.

Sabine Hoß

Bewertung:

 

 

 

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