Der Tag der Krokodile

Michael Williams

Aus dem Englischen von Birgit Schmitz

Carlsen, Januar 2013

272 Seiten, € 14,90

ab 14 Jahre

 

 

Inhalt:

Der vierzehnjährige Jabu lebt in Gutu, Simbabwe mit seinem zehn Jahre älteren Bruder Innocent, seiner Mutter und seinem Großvater in einem kleinen Dorf. Sein Bruder ist seit seiner Geburt geistig zurückgeblieben und zeigt autistische Züge. Doch Jabu liebt seinen Bruder über alles und kümmert sich rührend um ihn, wenn er nicht gerade mit seinen Freunden Fußball spielt, was er ebenfalls über alles liebt. Eines Tages metzeln Soldaten des gewalttätigen und diktatorischen Präsidenten (Mugabe) die Bewohner des Dorfes brutal nieder. Jabu und Innocent sind die einzigen Überlebenden. Jabu weiß, dass Gutu kein sicherer Ort ist und ihr erstes Ziel ist Bikita. Dort lebt Captain Washington, ein Polizist und Freund ihrer Mutter. Auch er muss sich vor den Schergen der Partei hüten, denn die Green Bombas stehen vor seiner Tür und wollen Innocent gewaltsam für die Partei rekrutieren. Der Captain kann das knapp verhindern und rät den Brüdern sofort nach Südafrika zu gehen. Eine abenteuerliche und gefährliche Flucht steht den beiden bevor, in denen sie sich nicht nur vor wilden Tieren vorsehen müssen. In Südafrika angekommen, arbeiten sie zunächst auf einer Tomatenfarm. Doch auch hier können sie nicht lange bleiben. Das nächste Ziel ist Johannesburg. Hier hoffen sie, ihren Vater wiederzufinden. Zunächst finden sie Unterschlupf in der Township Alexandra, bevor sie auch hier wieder vertrieben werden, denn egal, wo Jabu und Innocent in Südafrika hinkommen, Rassismus, Unterdrückung und bittere Armut sind ihnen gewiss. Als nach Ausschreitungen Innocent verschwindet, macht sich Jabu auf die Suche. Doch er findet ihn nicht mehr lebend. Jabu macht sich schwere Vorwürfe, nicht genug auf seinen Bruder aufgepasst zu haben und rutscht in die Drogenabhängigkeit ab. Zwei Jahre lang verbringt Jabu sein Leben auf der Straße, bis ihn eines Tages ein Sozialarbeiter durch Zufall beim Fußballspielen beobachtet. Er hat die Chance ihn die Auswahlmannschaft bei der Weltmeisterschaft der Obdachlosen mitzumachen, dafür muss er sich von Drogen und der seinem bisherigen Leben auf der Straße fernhalten. Als er mit den anderen südafrikanischen Jugendlichen und Flüchtlingen aus anderen Afrikanischen Ländern im Jugendzentrum trifft, sind auch hier sofort rassistische Trennungen an der Tagesordnung. Jabu will schon fast aufgeben, doch der Trainer bringt  sie dazu, sich zu öffnen und als Einheit zusammen zu kommen. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.

Rezension:

Der Autor Michael Williams ist ein vielseitiger südafrikanischer Künstler: Als Autor von Büchern, Theaterstücken, Musicals und Opern und als geschäftsführender Direktor der Cape Town Opera. Die furchtbaren fremdenfeindliche Vorfälle im Mai 2008 in der Township Alexandra haben ihm den Anstoß zu diesem Roman gegeben, wie Williams dies auch im Nachwort erklärt. Von der ersten Seite an ist man von dem Roman gefangen und man legt das Buch nur deshalb hin und wieder zur Seite, um das Gelesene ein wenig sacken zu lassen. Der vierzehnjährige Protagonist Jabu erzählt aus seiner Sicht in einer ruhigen und klaren Sprache. Obwohl sie manchmal schon fast als ein wenig nüchtern erscheint, verbirgt sich dahinter feine Sensibilität, die nie in Sentimentalitäten abrutscht. Für die feinfühlige und stimmige Übersetzung sollte an dieser Stelle Birgit Schmitz genannt werden. Dafür sind die Erlebnisse der beiden Brüder für uns einfach nur unvorstellbar – und grausam. Doch hier wird nichts erfunden oder übertrieben. Der Rassismus, die Ausgrenzungen sind leider immer noch Realität zwischen den afrikanischen Ländern und Südafrika. Die Geschichte der Flucht, der Orientierungslosigkeit und der Hoffnung auf einen Neubeginn in  Johannesburg zeigt einen betroffen machenden Einblick in den von bitterer Armut, Unterdrückung und Rassismus dominierten Alltag in Südafrika „nach“ der Apartheid. Darüber hinaus ist es eine sehr bewegende Erzählung über eine spezielle Brüderbeziehung. Obwohl die Thematik mehr als bedrückend ist, schafft es Williams immer wieder kleine Inseln der Hoffnung und durchaus auch heitere Momente herauszuarbeiten.

Ein spannender, bewegender und erschütternder Roman vor dem Hintergrund der realen, politischen Situation 2008, das auf Klischees dankbar verzichtet. Auch heute ist die Lage  noch aktuell und immer wieder in den Medien präsent, dennoch scheint sie für uns so weit weg. Ein Buch, das als Schullektüre im Deutsch-, Erdkunde- oder Geschichtsunterricht gelesen werden sollte und bei Schülern garantiert kein Gähnen hervorruft.

Am Ende des Buches findet man ein Glossar, in dem die im Text verwendeten Fremdwörter kurz und verständlich erklärt werden.

Das Cover ist bei diesem Buch doppelt gelungen: Nicht nur der Schutzumschlag ist mit dem Porträt und dem Fußball spielenden Jungen absolut treffend gewählt, auch der Inneneinband, der den Inhalt der für Innocent so lebenswichtigen Bixbox zeigt, ist so schlicht und wunderbar gelungen, wie selten ein Einband. Klasse!

Interessant ist, dass das Buch bereits zwei verschiedene Titel trägt:

2009 unter dem Titel „The Billion Dollar Soccer Ball“ bei Maskew Miller Longman Ltd, Südafrika

2011 unter dem Titel „Now is the time for running” bei Little, Brown and Company, New York, USA.

Sabine Hoß

Bewertung:

 

 

 

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