Als mein Vater die Mutter der Anna Lachs heiraten wollte

Als mein Vater Mutter Lachs KLEIN

Christine Nöstlinger

Oetinger, Februar 2013

176 Seiten, € 12,95

ab 9 Jahre

 

 

 

Inhalt:

Für Cornelius, 11 Jahre, läuft das Leben gerade genau so, dass es keine Veränderungen nötig hat. Nachdem sich die Eltern vor fünf Jahren haben scheiden lassen, lebt er mit seinem Vater in einem eigenen Haus, in dem er sich auf mehreren Zimmern großzügig ausbreiten kann. Seine Mutter arbeitet als Fotografin und ist viel in der Welt unterwegs. Trotzdem hat Cornelius ein gutes Verhältnis zu ihr und genießt die kurze aber intensive Zeit mit ihr, wenn sie sich sehen. Als sein Vater ihm eines Tages beiläufig beim Kochen erzählt, dass in seine Klasse die Tochter einer neuen Kollegin kommen wird und er Cornelius bittet, sich ein bisschen um das Mädchen zu kümmern, ist dieser zunächst nicht so wirklich begeistert. Aber Cornelius hat Verständnis für die neue Situation des Mädchens und verspricht dem Vater, sich zu kümmern. Als das Mädchen dann in die Klasse kommt, ist Cornelius geschockt. Alle freundlichen Versuche, auf Anna Lachs zuzugehen, werden auf höchst unfreundliche und zickige Weise abgeblockt. Dabei schaut der weißhäutige, leicht übergewichtige, mit Sommersprossen übersäte Neuzugang mit ihren rostroten, wuscheligen Drahthaaren ohnehin schon etwas merkwürdig aus. Cornelius bemüht sich weiterhin und wird ebenso von Anna abgekanzelt, was ihr das Einleben bei den anderen Mitschülern auch nicht gerade erleichtert. Mit Laura geht Cornelius regelmäßig den Schulweg; er schweigend, sie plappert dafür umso mehr. Eines Mittags erzählt sie Cornelius, dass sie durch ihre Mutter weiß, warum das Anna Lachs von Salzburg nach Wien gezogen ist: Weil Annas Mutter nämlich Cornelius` Vater heiraten will. Cornelius hält das zunächst für einen schlechten Scherz. Als er aber seinen Vater damit konfrontiert, stellt sich heraus, dass das kein Scherz sondern die Wahrheit ist. Cornelius ist mächtig wütend auf seinen Vater, dass er ihm das so lange verschwiegen hat. Er ist auch wütend auf Anna, da er für sie auf keinen Fall sein bisheriges Leben verändern will. Nach einem verkrampften und katastrophalen Kennenlernwochenende ist für Anna und Cornelius klar, dass sie auf keinen Fall zusammen leben wollen. Trotz gegenseitiger Abneigung beschließen die beiden gemeinsam gegen die geplante Heirat anzugehen und nach einer Lösung zu suchen. Anna will ihrer Mutter einen Denkzettel verpassen und abhauen. Obwohl Cornelius die Idee nicht ganz so überzeugend findet, hilft er ihr bei der Umsetzung. Dabei verläuft natürlich nicht alles so, wie die beiden es geplant haben…

 

Rezension:

Cornelius, der erzählende Protagonist der Geschichte, behauptet von sich selber, dass er manchmal doch ein naiver Trottel ist, weil er offenbar einiges nicht wirklich mitbekommt. Daher kommt er auch gar nicht auf die Idee, dass es einen anderen Grund als Überstunden dafür geben könnte, dass sein Vater so oft spät nach Hause kommt. Erst als seine Klassenkameradin Laura ihm steckt, dass die Mutter von Anna schon lange eine Beziehung mit seinem Vater hat, wird ihm einiges klar. Gewitzt stellt Nöstlinger hier der scheinbaren Naivität des 11-jährigen die Unehrlichkeit und das Verdrängen seines Vaters gegenüber. Cornelius wirkt manchmal ein wenig zu brav und verständnisvoll, aber vielleicht gehört das zu ihm als der naive Trottel. Anna meistert im Laufe der Handlung die nicht  Wandlung der unsympathischen Zicke zum netten Kumpel, was allerdings am Ende recht schnell geht. Die Autorin hat eine freche und lebendige Sprache, die sich nicht übertrieben jugendlich anbiedert. Leider wirkt sie an den Stellen altbacken, wenn vor dem Namen der bestimmte Artikel vorangesetzt wird. (z.B. die Laura, der Marius, die Mamma der Laura…) Es mag sicher ein eigener Stil sein, dennoch wirkt dieser in seinen Wiederholungen gestelzt.

Mit einfühlsamen Blick beschreibt Christine Nöstlinger die Gefühle der Kinder, macht Wut, Enttäuschung und Einsamkeit genauso nachvollziehbar wie den unbändigen Willen, trotz herzlicher gegenseitiger Abneigung ein gemeinsames Ziel erreichen zu wollen. Dafür muss jeder der beiden Protagonisten über seinen Schatten springen und damit ist der erste Schritt des Aufeinanderzugehen unbewusst geschafft. Ein Akt, mit dem sich Erwachsene offenbar manchmal viel schwerer tun. Natürlich ist Annas Einfall abzuhauen nicht die Lösung, aber er ist das Sahnehäubchen auf dem Weg des missglückten Annäherungsversuchs der beiden Erwachsenen; zwei völlig unterschiedliche Charaktere, mit völlig unterschiedlichen Einstellungen und Ansichten, die in problematischeren Alltagssituationen erkennen, dass ihnen die rosarote Brille abhanden gekommen ist. Der Autorin ist es wichtig, dass Kinder ernst genommen werden, das merkt man auch in dieser Geschichte. So ist eine Revolte nur natürlich, wenn Eltern ihre Kinder vor vollendete Tatsachen setzen, wenn sie das Großprojekt einer Patchworkfamilie von heute auf morgen aus dem Boden stampfen. Keiner der beiden Elternteile hat sein Kind von Anfang an in die neue Beziehung und den entsprechenden Veränderungen miteinbezogen. Das präsentiert Nöstlinger nonchalant mit einer feinen Prise Ironie klar und eindeutig, ohne aber den moralischen Zeigefinger zu erheben. Das Einzige was übertrieben, nicht wirklich schlüssig und damit auch unglaubwürdig rüberkommt, ist das eifersüchtige Verhalten am Schluss der Geschichte von Laura, der Schulfreundin von Cornelius.

Eine nette Geschichte, in der klar wird, dass die Gründung einer Patchworkfamilie gar nicht so einfach ist – und manchmal auch nicht funktioniert. Aber besser rechtzeitig bemerkt als zu spät. 😉 Das Ende ist vielleicht nicht ein Happy End im eigentlichen Sinne, trotzdem gibt es für alle Beteiligten einen guten neuen Start.

Christine Nöstlinger gehört zu den erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautoren der Gegenwart. Der vielfach ausgezeichneten Autorin ist ein nette Geschichte über Freundschaft und Vorurteile gelungen, die auffordernd daran erinnert, Kinder ernst zu nehmen und miteinzubeziehen.

Das Cover ist herrlich witzig und trifft den Kern der Geschichte und das Aussehen der Protagonisten.

Sabine Hoß

Bewertung:

 

 

 

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