Sag beim Abschied leise Blödmann

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Ulrike Herwig

Marion von Schröder /Ullstein, Juli 2013

304 Seiten, 14,99 €

 

 

 

 

Wie in jedem Jahr so präsentiere ich auch diesem Sommer eine heitere Urlaubslektüre, die neben Sonnenbräune auch ein paar Lachfältchen ins Gesicht zaubert. Ulrike Herwig hat bereits mit  „Martha im Gepäck“ (2011), „Mein Gott , Wanda“ (2012, alle Marion von Schröder/Ullstein Verlag, Besprechungen auf dieser Seite) ihren Humor und ihre treffsichere Beobachtung allzu bekannter Beziehungs- und Familienszenen bewiesen.

In „Sag beim Abschied leise Blödmann“ überrascht Charlotte mit ihrer zehnjährigen Tochter Miriam bei der verfrühten Rückkehr aus einem verregneten Urlaub an der Ostsee ihren Mann Phillip in flagranti. Nach diesem Fehltritt, der einer von vielen war, beschließt Charlotte, ihren Mann vor die Tür zu setzen und ein neues Leben zu beginnen. Beim Ausmisten angesammelter Sachen der letzten Jahre, insbesondere der von Phillip, findet sie ein uraltes Handy, auf der noch eine Nachricht auf der Mobilbox von ihrer Schwester Doro gespeichert ist. Eine Nachricht, die nicht nur die Vergangenheit zurück bringt sondern auch die Tatsache, dass sie sich vor ewigen Zeiten mit ihrer Schwester Doro zerstritten hat und seitdem nie mehr etwas von ihr gehört hat. Charlotte will ihr neues Leben ohne Phillip richtig anfangen und möchte den alten Streit mit ihrer Schwester beilegen. Charlotte hat keine Ahnung, wo sie anfangen soll, Recherchen im Internet bleiben erfolglos. Doro war im Gegensatz zu ihr die flippigere, ruhelosere, immer für einen verrückten Einfall zu haben.

Da fällt ihr Ben ein, ehemalige Freund von Doro aus der Zeit, bevor sie sich zerstritten haben. Mit Ben beginnt für Charlotte eine mehr als abenteuerliche Suche nach ihrer Schwester, bei der sie nicht nur manches Mal ihren eigenen Schweinehund überwinden muss sondern auch von einem Exfreund ihrer Schwester zum nächsten geleitet wird und dabei herrlich verrückte Männer kennenlernt: Ben, der einstige aufstrebende Möchtegern-Rockmusiker, der heute ziemlich abgewrackt deutsche Schlager auf privaten Geburtstagsfeten singt, Viktor, der bekannte Fernsehkoch, Johannes, der mit seinem esoterischen Karma in übersinnlichem Kontakt mit seiner verstorbenen Mutter steht, Julius, der Gärtner mit Hang zu absurder Lyrik und Richard, ein charmanter Tierarzt auf Rügen, dem Charlotte fast seine Wasserschildkrötenzucht vertreibt. Während dieser Suche wird sie aber immer wieder auf den Boden der Tatsachen gesetzt, denn Charlotte ist Lehrerin an der Berliner Berufsschule Mitte und ihre Schülerinnen sind alles andere als bei der Sache. Das ändert sich allerdings, als sie mit Unterstützung ihrer Tochter ihrer Schülerin Berenike aus der Patsche hilft. Nicht selten heißt es doch: „Der Weg ist das Ziel“. So ist es auch bei Charlotte, die sich auf ihrer ereignisreichen Suche nach ihrer Schwester  neu kennen lernt und sich auf einmal Dinge zutraut, die bis dahin unvorstellbar waren.

In ihrer unbeschreiblich erfrischenden und manchmal herrlich frechen Sprache spricht Ulrike Rylance Situationen, Beziehungen und Zustände an, von denen man viele schon einmal so oder so ähnlich erlebt hat. Sicher bedient sie sich bei manchen Charakteren auch einmal der Klischeekiste, aber die Autorin überzieht dies mit so viel humorvollem Charme, dass jede dieser skurrilen Figuren schon fast wieder natürlich wirken. Mit viel Situationskomik begleitet man Charlotte auf ihrer temporeichen Suche zu ihrer Schwester Doro. Dabei entwickelt sie sich von einer ängstlichen, braven und angepassten zur aufmüpfigen, mutigen und selbstbewussten Frau „in den besten Jahren“. 😉 Das zeigt sie sowohl in ihrer privaten Rolle wie auch als Lehrerin, die plötzlich sich und ihre Schüler begeistern kann, weil sie selbst ein Stück begeisterter und couragierter geworden ist.

Man muss nicht unbedingt seinen Ehemann rauswerfen oder eine verschollene Schwester suchen, um mit diesem Buch von stillem, zunickendem Grinsen zu lautem Auflachen zu wechseln. Es ist auch für die glücklich verheirateten eine herrlich leichte Unterhaltungslektüre, die „Frau“ zeigt, was sie drauf hat, wenn man sie (los-)lässt.

Und die anderen werden darauf aufmerksam gemacht, nicht vergessen: „Der Weg ist das Ziel…“ 🙂

Das Cover: Tiere spielen in diesem Roman eine nicht unwichtige Rolle, wenn auch andere als die abgebildete Katze und bunten Vögel. Aber ein „Hingucker“ (auf Deutsch „Eyecatcher“) ist das Cartoon auf dem weißen Umschlag mit dem schrägen Titel allemal.

Sabine Hoß

Bewertung:

Ein Interview mit der Autorin findet Ihr ebenfalls auf dieser Seite.

 

 

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