Kerstin Gier
Fischer Verlage – FJB- Juni 2013
416 Seiten, € 18,99
ab 14 Jahre
Inhalt:
Die 16 Jahre alte Olivia bzw. Liv Silber und ihre jüngere Schwester Mia sind froh, endlich in England für eine längere Zeit ein Zuhause gefunden zu haben. Ihre Mutter wechselt als Literaturwissenschaftlerin beinahe jedes Jahr die Universität und damit auch mit ihren beiden Kindern den Wohnort. Jetzt hat sie aber einen Lehrauftrag in Oxford erhalten und für die Kinder, dem Hausmädchen und Hund Buttercup soll ein Wohntraum in einem alten, wunderschönen Cottage auf dem Land in Erfüllung gehen. Soll, denn als Liv und Olivia in London eintreffen, erwartet ihre Mutter sie mit einer Planänderung. Als erstes werden sie mit ihrer neuen Liebe Ernest Spencer bekannt gemacht, der ebenfalls zwei Kinder hat: Grayson und Florence. Obwohl sie Zwillinge sind, empfangen sie die Liv und Mia völlig unterschiedlich. Grayson freundlich und reserviert, Florence dagegen mit offener Abneigung und nervendem zickigem Gehabe. Was sicherlich daran liegen mag, das die beiden Erwachsenen ihren Kindern ziemlich schnell und kompromisslos klar machen, dass alle nun gemeinsam in das Haus von Ernest und seinen Kindern ziehen, das in London steht. Nachdem Olivia und Mia einsehen, dass es keine Alternative gibt, fügen sie sich in ihr Schicksal und versuchen das Beste daraus zu machen. Schon immer hat Liv eine lebhafte Fantasie gehabt und genauso lebhaft geträumt, als sie jedoch eines Nachts in einen Traum von Grayson stolpert, ist sie zunächst völlig verwirrt. Sie trifft ihn und andere Jungs aus ihrer Schule auf einem alten Friedhof, die mit geheimnisvollen lateinischen Sprüchen den Herrn der Schatten und der Finsternis heraufbeschwören oder besänftigen wollen. Liv hält das zunächst alles für einen großen Witz, muss aber feststellen, dass sie immer wieder die Träume von Grayson besucht und es hierfür auch gewisse Regeln gibt: Durch eine grüne Tür betritt sie einen Korridor und gelangt darüber in die Träume der anderen. Als wäre das nicht alles schon mysteriös genug, scheinen die Probleme aus den Träumen in der Realität weiterzugehen. Obwohl Grayson Liv dringend davor warnt, weiterhin in seinen Träumen und denen seiner Freunde aufzutauchen, ist Liv viel zu neugierig geworden, was es mit dem merkwürdigen Dämon auf sich hat und taucht in der Realität wie in ihrem Träumen in ein äußerst spannendes und gefährliches Abenteuer ein.
Rezension:
Obwohl ich eigentlich Trilogien bzw. Reihen überhaupt, versuche zu meiden (weil oft nur der erste Band überzeugt), habe ich bei Kerstin Gier und „Silber – Das erste Buch der Träume“ eine Ausnahme gemacht, da schon ihre „Rubinrot“-Zeitreisen-Trilogie durchgehend lesenswert und erfolgreich war.
Ihre Sprache ist erfrischend schlagfertig frech bis ironisch-bissig, ohne den Bogen zu überziehen oder ins trivial flache abzurutschen. Die Hauptprotagonistin Liv ist auf Anhieb sympathisch, weil sie so herrlich schräg und doch „normal“ ist. Wer reist schon mit stinkenden Biosphären nach London ein und wundert sich, dass die Zollhunde Alarm schlagen? Doch so heiter die Geschichte beginnt, weiß die Autorin durchaus mit der Traum-Prallelwelt einen unheimlichen und gruseligen Kontrapunkt zu setzen und hebt sich damit deutlich von der „Rubinrot“-Reihe ab. Die wichtigsten Figuren aus den Träumen, (und in der Realität) in denen es um eine Art dämonische Messe geht, sind Grayson, der gutaussehende Arthur, der einfältige und unüberlegte Jasper und Henry, der wie Liv sehr gerne träumt. Nicht nur aus diesem Grund fühlen die beiden sich magisch angezogen. Auch Livs jüngere Schwester Mia bleibt mit ihrem unerschrockenen, offenen Charme und ihrer Leidenschaft für Detektivgeschichten und geheimen Ermittlungen in Erinnerung.
Kerstin Gier ist es gelungen, ihre Charaktere mit Lebendigkeit zu füllen und jeden in seiner eigenen Art herauszustellen. Liv ist auf der einen Seite für jedes Abenteuer mutig offen, andererseits weiß sie durchaus die Oberflächlichkeit ihrer neuen Schulkameradinnen zu durchschauen und abzulehnen. Gekonnt vermischt die Autorin gruselige und durchaus böse Elemente mit romantischen Bezügen, abgerundet mit originellen Einfällen wie den Tittle-Tattle-Blog der Frognal Academy, auf die Liv und Mia gehen. Auf diesem Blog gibt Secrecy den aktuellsten Klatsch und Tratsch zum Besten. Zur Freude von Mia auch schon mal mit kleinen Schönheitsfehlern, was für sie Anlass genug ist, herauszufinden, wer hinter dem Namen Secrecy steckt, was bisher noch keiner herausgefunden hat. Diese Suche wird sicher ein spannender Begleiter durch die weiteren Bücher sein. Kurz vor dem Schluss dieses Buches geht man fast von einem runden Ende aus, was aber nicht sein kann, wie schon der Titel verspricht. Kerstin Gier weiß hier gekonnt der Geschichte eine neue Wendung zu geben, die auch bei mir Neugier und Lust auf eine Fortsetzung weckt. Und das schaffen die wenigsten ersten Bücher einer Reihe…
Wer eine freche, schlagfertige Sprache liebt, gruselig-mysteriösem nicht abgeneigt ist, der wird mit dieser spannend aufgebauten Familien-, Abenteuer- und Liebes-Geschichte zwischen Realität und mehr als lebhaften Traumwelt einen kurzweiligen Lesegenuss haben. Auch wenn die Hauptprotagonistin weiblich ist, kommen auch die jungen Herren nicht zu kurz und ja, (natürlich) auch Herz und ein wenig Schmerz sind dabei, was aber sicher auch männliche Leser nicht stören wird.
Das schwarz gehaltene Cover ist mit seinen silbergrauen, stimmig ausgewählten Ornamenten ausgefallen und wunderbar.
Gespannt bin ich allerdings bei der Fortsetzung auf den Titel, das sich hoffentlich origineller als „Das zweite Buch der Träume“ präsentiert. 😉
Sabine Hoß
Bewertung:
Ein Interview mit der Autorin findet Ihr hier: