John Boyne
Aus dem Englischen von Adelheid Zöfel
Fischer KJB, 22. August 2013
288 Seiten, € 14,99
ab 10 Jahre
Inhalt:
Barnaby Brocket schwebt. Seitdem er das Licht der Welt erblickt hat, gehorcht er nicht dem Gesetz der Schwerkraft und schwebt nach oben. Nur mit einem sandgefüllten Rucksack gelingt es ihm, mit beiden Beinen auf der Erde zu bleiben. Für seine Eltern gibt es aber nichts schlimmeres, als nicht „normal“ zu sein und aufzufallen. Seit acht Jahren versuchen sie nun mit Barnaby so unauffällig wie möglich zu leben, was nicht einfach ist. Barnaby hat noch zwei ältere Geschwister, die nicht schweben sondern ganz normal auf der Erde stehen und auch ansonsten unscheinbar sind. Sie bekommen die Achtung und Liebe, für die Barnaby vergeblich kämpft. Die Eltern treffen eines Tages eine folgenreiche Entscheidung und lösen sich von ihrem Sohn. Barnaby schwebt in den Himmel auf eine abenteuerliche Reise. Er trifft auf verschiedene Menschen, die auf den ersten Blick ganz „normal“ erscheinen, sich aber durch besondere Eigenschaften von den durchschnittlichen Menschen unterscheiden – und damit ihre Probleme haben. Einige von ihnen haben ihren Weg gefunden und sind glücklich, so wie die beiden alten Damen, die Barnaby in ihrem Heißluftballon mit nach Brasilien nehmen. Andere sind noch auf der Suche, wie der Fensterputzer des Chrysler Building, der eigentlich viel lieber mit seiner Kunst Geld verdienen würde, denn das Talent dazu hat er. Natürlich will Barnaby unbedingt wieder zurück zu seiner Familie und schickt von einigen seiner Stationen Postkarten nach Hause. Auf seiner Reise wird er sogar gefangen genommen und trifft auf andere Menschen, die auch ganz anders sind und „Freaks“ genannt werden. Barnaby hilft bei seiner Tour um die Welt mehr oder weniger unbewusst seinen neuen Freunden und findet für sie, aber vor allem für sich selbst die Erkenntnis, dass man nur dann glücklich ist, wenn man so sein darf, wie man ist. Auch, wenn das anders als „normal“ ist.
Rezension:
John Boyne ist ein facettenreicher Schriftsteller, den man nur schwer in einer Schublade einordnen kann. Das mag manchmal für die Marketingabteilung der Verlage eine Herausforderung zu sein, für den Leser und Rezensenten bedeutet das bei jedem neuen Buch eine besondere Neugier.
Mit „Der Junge im gestreiften Pyjama“ hatte Boyne in Deutschland seinen großen Durchbruch. Das Buch erhielt zahlreiche Preise und wurde verfilmt. Weitere erfolgreiche Jugendbücher folgten wie „Zu schnell“ oder „Der Junge mit dem Herz aus Gold“ (alle Fischer). Boynes Romane werden in über 40 Sprachen übersetzt.
Mit „die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket“ präsentiert der irische Schriftsteller aus Dublin eine ausgefallene Geschichte vom Mut, anders zu sein und sich nicht nach den Werten und Vorstellungen anderer verbiegen zu lassen. Mit teilweise ironischer Boshaftigkeit überspitzt Boyne die Angst der Erwachsenen, was andere über einen denken oder sagen könnte, wenn jemand (aus der Familie) aus dem Rahmen fällt. Auch wenn der Autor bewusst übertreibt, wirkt seine Botschaft nachhaltig, denn er stellt das Verhalten nicht bloß sondern verpackt es gewitzt und liebevoll. Die Eltern Brocket sind so unsympathisch spießig und einfältig wie ihr achtjähriger Barnaby warmherzig, sympathisch ist. Der Leser kann sich mühelos in die Problematik der verschiedenen Menschen hineinversetzen, denen Barnaby auf seiner spannenden Reise um die Welt begegnet. Aus unterschiedlichen Perspektiven zeigen sie mit ihrer Geschichte, wie schwierig es ist, mit einer besonderen Individualität, die sich von der Norm des alltäglichen abhebt, zu leben. Sie alle kämpfen mit der Tatsache, dass ihre Familie andere Vorstellungen davon haben, wie sie sein sollten, was Aussehen, Lebensführung, Einstellungen usw. angeht. Barnabys Sprache ist auch für Kinder verständlich; sie ist witzig und trifft mit schrägen und klugen Spitzen punktgenau.
„Barnaby Brocket“ ist eine ausgefallene Parabel für Erwachsene, Jugendliche und Kinder, die humorvoll und klug offen legt, was Spießigkeit und die Angst der Erwachsenen darüber angeht, was wer sagen könnte, wenn man… einfach selbst sein möchte.
Auch dieses Buch hat Adelheid Zöfel in einer stimmigen Sprache und Atmosphäre übersetzt.
Oliver Jeffers hat dem Roman treffende komische und herrlich schräge schwarz-weiß Illustrationen und ein wunderschönes Cover geschenkt.
Während des Lesens lernt man, dass es nicht einfach ist, wenn man schwebt, es aber kein größeres und andauerndes Glücksgefühl gibt, wenn man sich dazu bekennt und es einfach tut. Und beneidet Barnaby…
Sabine Hoß
Bewertung: