Du liebst mich nicht

Du liebst mich nicht von Edeet Ravel

Edeet Ravel

Aus dem Englischen von Anne Braun

cbt, Mai 2013

320 Seiten, € 8,99

ab 13 Jahre

 

 

Am besten hat mir der Ausdruck, den Toronto Star verwendet hat, gefallen um dieses Buch zu beschreiben: Pageturner.

Dieser Begriff umfasst einerseits die Tatsache, dass hier über Geiselnahme – ein Thema, bei dem einem sofort die grässlichsten Bilder in den Sinn kommen – jegliches Klischee geschickt und teilweise ironisch missachtend, einmal ganz anders, ohne jegliche übertriebene Dramatik, erzählt wird.

Und nicht nur das, die Autorin bringt einen sogar dazu, darüber nachzudenken, welche nun die richtige Seite ist: Sie stellt die Richtlinien des Staates infrage, die Beurteilungsfähigkeit von Richtern und die Fairness von Gerichtsverhandlungen.

Das Verbrechen Geiselnahme wird keineswegs heruntergespielt, nur bekommt es hier einen ganz anderen Stellenwert, nämlich den eines einzigen Ausweges, der noch bleibt, um den fälschlicherweise im Gefängnis gelandeten Freund des Geiselnehmers, der diesem das Leben gerettet hat, freizubekommen. In diesem Buch ist die Geiselnahme nicht mit Gewalt verbunden, der „Geiselnehmer“ verabscheut sogar den Versuch einer Person, seiner Geisel Chloe Schaden zuzufügen und behandelt sie von Anfang an sehr zuvorkommend und ermöglicht ihr Luxus, den man auf keinen Fall mit einem Gefangenenaufenthalt verbindet. So kommt es, dass, während ihre Mutter und ihre beste Freundin Angie fast verrückt vor Sorge werden und versuchen, die ganze Welt zum Kampf „ Freiheit für Chloe“ zu animieren, sich Chloe in ihren „ Peiniger“ verliebt. Und das ist es, was die Geschichte zu einem wahrhaften Pageturner macht: dass eine Person dazu fähig ist, Gefühle für jemanden zu entwickeln, der dafür verantwortlich ist, dass sie getrennt von Familien und Freuenden und ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt in einer Lagerhalle mit Kakerlaken und ohne Fenster leben muss.

Man weiß nicht, wie man es betrachten soll: Auf der einen Seite sieht man die Vernunft, sieht, dass dieses Verhalten doch krankhaft ist, liest vom Stockholm-Syndrom, eine Krankheit die genau dieses Verhalten ausdrückt und liest von den Theorien, die die Ärzte sonst noch so haben. Weiß, dass Geiselnahme und Entführung Verbrechen sind und der Geiselnehmer ein Krimineller. Auf der anderen Seite steht Chloes überstrudelnde Gefühlswelt, die sie in ihrer mitreißenden Erzählweise ausdrückt, verfolgt die Veränderung, die mit ihr vonstatten geht: von jemandem, der sein Schicksal nicht akzeptiert und aufbegehrt und daran fast verzweifelt. Sie wird zu jemanden, der an diesem Zustand nichts mehr ändern will, den diese verquere Situation GLÜCKLICH macht, der sagt: ‚Dafür hat es sich gelohnt.‘

Das zu begreifen ist schon sehr schwer, das Geschehen ist einerseits so abstrakt und doch kommt es einem vor, auch durch die Facebook- und Website-Einträge im Buch, als wäre die Geschichte nach einer wahren Begebenheit erzählt.

Genauso hofft und bangt man mit Chloe wie die Millionen anderen Menschen, die die Nachricht von Chloes Geiselnahme im Buch erreicht und die sie dort unterstützen, sowie die hoffentlich Vielen, die dieses Buch lesen werden.

Extrem fesselnd. Emotional nah. Außergewöhnlich und doch authentisch. Und sehr beeindruckend.

Das sind Worte, mit denen man „Du liebst mich nicht“ gut beschreiben kann, wobei ich mich frage, ob dieser Name wirklich so passend ist. Auch mit dem Klappentext war ich nicht sehr zufrieden, er täuscht mehr Dramatik vor als nötig, da diese im Buch ja auch nicht im Vordergrund steht.

Isabel, 18 Jahre

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