Ute Krause
208 Seiten, € 14,99
cbj, September 2014
ab 8 Jahren
Die Trilogie von den Drei Musketieren mit d`Artagnan und seinen drei Freunde Athos, Porthos und Aramis von Alexandre Dumas dürften wohl, nicht zuletzt dank der zahlreichen Verfilmungen, den meisten ein Begriff sein. Ihre heroischen, tollkühnen Abenteuer und Duelle und ihr ehrenhafter Codex für Freundschaft und Loyalität „Einer für alle, alle für einen“ sind über Generationen hinweg tradiert.
Doch nicht weniger tollkühn und ehrenhafter sind die Muskeltiere, die aus dem Mäuserich Picandou Camembert Saint-Albray, der Hafenratte Gruyère Réserve, der Kneipenmaus Ernie-Pomme de Terre sowie dem Goldhamster Bertram von Backenbart bestehen. Auch ihre wagemutige Abenteuer, in der jeder für den anderen einsteht, werden hoffentlich noch über Jahrhunderte hinweg weitererzählt werden.
Picandou ist ein Mäuserich, der sein geruhsames Dasein in Hamburg genießt. Seit vielen Jahren lebt er unter der Kellertreppe in dem Feinkostgeschäft von Frau Fröhlich und erfreut sich ihrer besten Käseauswahl in ganz Hamburg. Aus Liebe zu seinem liebsten Nahrungsmittel hat er sich sogar seinen eigenen Namen aus der Käsetheke zusammengestellt: Picandou Camembert Saint-Albray. Seitdem Herr Fröhlich vor kurzem verstorben ist, hat sich einiges verändert. Frau Fröhlich weint häufig, viele Rechnungen können nicht mehr bezahlt werden und auch Margarethe, die gute Seele im Laden, kann nicht wirklich weiterhelfen. Frau Fröhlich ist nicht die beste Geschäftsfrau und es sieht so aus, als wenn der Feinkostladen bald dicht machen muss, was für Picandou eine Katastrophe wäre. Einerseits weil er sein kulinarisches Dach über dem Kopf verlieren würde, andererseits kann er Aufregung nicht ausstehen.
Als Picandou eines Abends im Novemberregen auf dem Heimweg unter einer Laterne ein nasses Bündes Fell findet, spricht er es mutig an. Das fremde Tierchen hat eine dicke Beule am Hinterkopf und weiß nicht, wo es ist, hat keine Erinnerung, wo es herkommt, geschweige denn, wie es heißt. Da beide mittlerweile pitschenass sind, zögert Picandou nicht lange, und nimmt das fremde Tier mit zu sich nach Hause, obwohl er feststellt, dass es eine Hafenratte ist. Doch die Ratte ist felsenfest davon überzeugt, keine Ratte und schon gar keine Hafenratte zu sein, sondern eine Maus wie Picandou.
In Picandous Zuhause angekommen wartet die nächste Überraschung: Ernie, ein echtes Hamburger Original an Maus, hat ebenfalls einen Zugang zu der wunderbaren Käsevielfalt von Fröhlichs Laden gefunden und glaubt, dass dieser Laden nun sein Laden ist. Nach einer handfesten Auseinandersetzung mit einem Zahnstocher hat Picandou allerdings schnell sein Hausrecht durchgesetzt und dank der harmoniebededürftigen, namenlosen Ratte setzen sie sich zu einem gemeinsamen Picknick zusammen. Dabei verhelfen sie der Namenlosen Ratte ohne Gedächtnis zu einem neuen Namen, die von nun an Gruyére Réserve heißt. Ernie findet seinen Namen viel zu kurz und nennt sich fortan Pomme de Terre. Die Drei erzählen aus ihrem Leben und beratschlagen, wie man der Ratte Gruyére Réserve wieder zu seinem Gedächtnis verhelfen kann. Gemeinsam sind sie sich einig, einander zu helfen. Auf einer Briefmarke sieht die Ratte ein Schiff, das ihn an etwas erinnert. Für die anderen ist klar, dass Gruyére von einem Schiff kommt, das noch im Hafen liegt – und nur noch gefunden muss.
Auf ihrem Weg zum Hamburger Hafen treffen sie auf den Goldhamster Bertram von Backenbart, der sich in einem luxuriösen Käfig in einer noblen Wohnung unglaublich langweilt und mit Hörspiel-CDs von großen Abenteuern träumt. Als die drei Freunde bei ihm Rast machen, sieht er seine Chance gekommen und schließt sich ihnen an. Zu Viert, und dank Bertram nun jeder mit einem Plastik-Degen bewaffnet, geht es Richtung Hafen. Bevor sie tatsächlich das Heimatschiff von Gruyére Réserve finden, müssen sie noch einige Abenteuer bestehen und ein Pakt mit den gefährlichen Möwen und die Unterstützung von einem Pulk Hafenratten sind nur zwei davon. Während die Ratte auf dem Schiff angekommen ist, machen die anderen drei Mäuse sich auf den Rückweg zu Fröhlichs Feinkostgeschäft. Picandou hat eine Idee, wie er Frau Fröhlich und ihren Laden retten kann, braucht dazu aber seine Freunde. Doch kaum dort angekommen, werden sie von einer Möwe abberufen, denn ihr Freund Gruyère braucht sofort ihre Hilfe. Auf dem Schiff wollen Diebe den Kahn in Brand stecken. Doch die rechnen nicht mit den drei Muskeltieren und ihren Freunden den Ratten und Möwen. Zu guter Letzt überrascht Gruyére Réserve die Freunde mit einer unglaublichen Erkenntnis und Erinnerung.
Die vier unterschiedlichen Freunde haben wagemutig gefährliche Abenteuer überstanden, die Macken des anderen ertragen und ihn so gelassen wie er ist – und sind zu einer Familie zusammen gewachsen. „Alle für einen, einen für alle“ – für die die vier Muskeltiere ein gelebter Freundschaftscodex.
Mit einer erfrischenden, frechen und humorvollen Sprache und mit Liebe zum Hamburger Dialekt durch Pomme de Terre finden sich hier drei herrliche Charakter-Mäuse zusammen. Picandou, der eher gemächliche, genießerische Mäuserich, der am liebsten seine Ruhe haben will, Pomme de Terre, eine freche, kauzige Hamburger Kneipenmaus mit Charme und Sprachwitz, die gedächtnislose Ratte Gruyére Réserve und der pummelige Goldhamster Bertram, der mit seinem noblen Getue vor allem Picandou zuweilen mächtig auf den Geist geht. Sie alle vereint aber ein gutes Herz und die Selbstverständlichkeit, alles zu tun, damit es dem anderen gut geht. Mit Tempo und einem sicheren Gespür für Situationskomik nehmen die vier ungleichen Freunde den Leser auf eine höchst amüsante Geschichte mit, die bis zum Schluss mit überraschenden Wendungen turbulent und spannend ist.
Herrlich witzig-bunte Illustrationen der Autorin runden das Buch zu einem perfekten Vorlesebuch ab, das Erwachsenen wie auch Kindern großen Spaß beim Zuhören – oder Selberlesen macht.
Ute Krause ist mit diesem Buch eine rundum überzeugende Adaption gelungen und man hat die vier Muskeltiere mit ihren eigenen Schrulligkeiten, Ausstrahlung und guten Herz auf Anhieb ins Herz geschlossen.
Sabine Hoß
Bewertung:
Ein Interview mit der Autorin findet Ihr hier: