Matthias Morgenroth
Mit Illustrationen von Regina Kehn
dtv, April 2015
176 Seiten, € 12,95
ab 9 Jahren
Jojo, der eigentlich Johannes heißt, ist seit der ersten Klasse mit Lea befreundet. Jetzt sind beide in der Vierten und Jojo hat in dieser Zeit eine Menge mit seiner Freundin erlebt. „Denn wenn man mit Lea befreundet ist, muss man auf alles Mögliche gefasst sein. Stinkekäse im Federmäppchen oder Pfeffertee in der Trinkflasche sind da noch das Harmloseste.“ Lea gelingt es immer wieder, den ruhigeren und überlegteren Jojo zu ihren verrückten Streichen zu überreden, auch wenn diese manchmal fast ins Auge gehen. Doch Jojo weiß, dass es mit Lea immer spannend ist und dank ihrer Pfiffigkeit gelingt es immer wieder, dass es gut für sie ausgeht.
Als Jojo eines Abends im Bett noch heimlich ein Comic liest, obwohl er längst schlafen sollte, wird er von Geräuschen am Fenster geweckt. Unten steht Lea und kommandiert ihn herunter. Es ist Johannisnacht und Lea will mit ihm unbedingt ein Johannisfeuer an den Kiesbänken am Fluss entzünden, zumal ein richtiger Johannes an ihrer Seite ist. Als die beiden das Feuer entzündet haben, kramt Lea Johanniskraut aus ihrem Rucksack und überzeugt Jojo davon, wenn sie das beide essen, dunkelsichtig zu werden. Denn wer dunkelsichtig ist, kann in der Dunkelheit und Nachtlinge sehen. Auch wenn die Pflanze furchtbar schmeckt, probieren beide davon und entdecken auch ziemlich schnell etwas Dunkles in der Nacht. Es ist Ben, Leas farbiger Klassenkamerad aus Ghana, der mit seinem Hund an den Kiesbänken Gassi geht.
Ben verrät aus Versehen, dass Lea die Schule verlässt, weil sie wegen ihrer kranken Oma wegzieht. Jojo fühlt sich vor den Kopf geschlagen und gerät in einen heftigen Streit mit Lea, warum er das als ihr bester Freund so erfahren muss. Lea beichtet ihm, dass sie wochenlang darüber nachgedacht hat, wie sie ihm diese Tatsache, von der sie selber alles andere als begeistert ist, beibringen soll.
Lea will nun unbedingt auf Nachtlinge treffen, denn die können Wünsche erfüllen, denn Lea will nicht wegziehen. Sie bittet Jojo um den Freundschaftsdienst, mit ihr diese Wesen zu finden. Dafür müssen sie den Glühwürmchen folgen, denn wo die sind, sind auch die Nachtlinge. Tatsächlich scheint das Johanniskraut seine Wirkung zu zeigen, denn auf dem Weg zum Schloss, wo Lea die Wunscherfüller vermutet, erscheint ihnen ein dunkler, unheimlicher und sprechender Baumstumpf: Es ist Waldemar, der letzte Baumschreck. Er erzählt den beiden, dass das Leben gar nicht mehr so lustig ist, seitdem die Gemenschen sich nicht mehr so leicht erschrecken lassen, weil alles so erleuchtet ist und die Magie der Baumschrecke damit weggeleuchtet werden. Lea ist verzweifelt, denn es scheint offenbar keine Nachtlinge mehr zu geben. Doch Waldemar führt sie zu Jan van Monden, der Leas Wunsch erfüllen kann. Doch Jan van Monden will nur eines, eine neue Mondprinzessin an seiner Seite. Mit Hinterlist und Magie bannt er Lea in sein Reich als seine neue Prinzessin. Jojo und seine Freundin sind verzweifelt. So haben sie sich ihren Ausflug nicht vorgestellt. Lea entlässt ihren Freund, denn er kann das Nachtreich verlassen. Doch Jojo ist ein wahrer Freund. „Es ist ein gemeinsames Spiel und eine gemeinsame Geschichte.“ Jetzt kommt es auf Jojo an, ob es ihm gelingt, Lea vor dem Sonnenaufgang zurück nach Hause zu bringen, ohne das ein Lichtstrahl auf sie fällt.
Eine fesselnde Abenteuergeschichte, die von einer magischen Nachtreise, erfüllten und unerfüllten Wünschen erzählt und zeigt, welche Kraft von einer wirklichen Freundschaft ausgeht. Matthias Morgenroth erweckt in leichter Sprache fantasievolle und magische Wesen zum Leben. Da gibt es neben Wanka, die letzte und etwas verwirrte Elfe, den dunklen, bärbeißigen Baumschreck Waldemar, den boshaften Jan van Monden oder die Dunkeldummeln. Die beiden im Hintergrund mit witzigen Kommentaren begleitenden Nachtlinge Nyx und Nox führen die beiden Gemenschen wie ein roter Faden bis zum Tageslicht durch die Nacht, herrlich. Geschickt vermischt der Autor Realität mit einer geheimnisvollen, mystischen Nachtwelt, aus der Lea und Jojo nur mit Mut und Freundschaft wieder herauskommen. Morgenroth schafft dabei eine gruselige Atmosphäre, ohne effekthascherisch zu werden oder die Kinderseele zu überfrachten.
Man kann Jojos Enttäuschung und Verletzung verstehen, dass seine beste Freundin Lea nicht den Mut gefunden hat, ihm zu sagen, dass sie am nächsten Tag ans andere Ende der Stadt ziehen muss. Auch wenn es keine wunscherfüllende Nachtlinge gibt, so kann doch eine wirkliche Freundschaft auch über zwanzig Haltestellen hinweg halten, wenn man bereit ist, den Bus zu nehmen.
Regina Kehn verleiht mit wunderbaren schwarz-weiß Illustrationen und skurrilen Wesen den perfekten dunkel-magischen Strich. Ihre Dunkelheit hat viele Nuancen, die den Spannungsaufbau stimmig unterstreichen. Da gibt es von der Abenddämmerung bis zum Morgengrau ein facettenreiches hellgrau bis tiefschwarz, aus dem manchmal nur blitzende Augen oder ein verzweifelter Ruf auftauchen.
Matthias Morgenroth und Regina Kehn ist eine rundum überzeugende Kombination von magischem, zauberhaften Nachtabenteuer und Freundschaftgeschichte mit faszinierenden Bildern gelungen. Ein Buch, das auch Lesemuffel zu empfehlen ist und zum gemeinsamen Vorlesen und Entdecken einlädt.
Sabine Hoß
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