Christian Duda
Mit Illustrationen von Julia Friese
Beltz & Gelberg, Juli 2015
160 Seiten, € 12,95
ab 6 Jahren
Was haben Kuchen, insbesondere Russischer Zupfkuchen und ein Kinderbuch gemeinsam? Wenn das Rezept und die Zutaten stimmen, können beide auf der Zunge zergehen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Mit dem schmalen Buch „Elke“ ist Christian Duda eine heiter-nachdenkliche Geschichte über die Wirkung von Kuchen und dem sozialen Umgang miteinander gelungen, dessen Geschmack lange nachhallt.
Elke ist unglaublich dick, so dick, dass sie sich kaum bewegen kann und alleine deswegen von den Nachbarn gemieden und mit Spott und hässlichen Bemerkungen behandelt wird. Aber Elke ist auch mit ganzem Herzen eine engagierte Erzieherin in Berlin-Mitte, die wie der kleine Junge Kasimir mit seinem Vater in der Lubitschstraße lebt und dort eine Wohngruppe für Jugendliche leitet. Hier wohnen nicht die Reichen sondern „die, die billig wohnen müssen und die, die später vielleicht mal berühmt werden, dann aber bestimmt wegziehen.“ Kasimir ist mit seinem Vater nach der Scheidung von Ulm nach Berlin gezogen und seitdem kämpft dieser mit dem schlechten Gewissen eines allein erziehenden Vaters, mit einer Vollzeitstelle das nötige Geld verdienen zu müssen und gleichzeitig viel Zeit für seinen Sohn haben zu wollen.
Jeden Tag bringt Elke vor ihrer Arbeit einen Kuchen in das Café von Uwe. Uwe ist ein etwas kauziger Cafébetreiber, der sich selber manchmal selbst im Wege steht – und mit etwas zurückhaltendem Charme sich um seine nicht zahlreichen Gäste sorgt. Hier trifft Elke auf Kasimir, der auf dem Weg zum Kindergarten ist. Da Kasimir ein neugieriger und pfiffiger Junge ist und Kuchen über alles liebt, kommen die beiden ins Gespräch und lädt ihn ein, sie ins Café zu begleiten. Zunächst ist Kasimirs Vater nicht begeistert über die neuen Kontakte seines Sohnes. Doch nachdem er sich auf eine Unterhaltung mit Elke einlässt, die ihm zuhört und für seine Situation Verständnis zeigt, öffnet er sich nicht nur ihr gegenüber. Elke schafft Vertrauen mir ihrer einfühlsamen Art und der Fähigkeit des Zuhörens und verbindet damit ihre Mitmenschen auf behutsame, faszinierende Weise, solange diese sich von dem Vorurteil gegenüber ihres Äußeren befreien können. So verliebt sich Caféhausbetrieber Uwe und ist rundum glücklich und wie verwandelt, obwohl die neue Liebe so ganz anders ist, als „normal“. Kasimirs Vater freundet sich langsam mit neuen Menschen an, denn seit dem Wegzug von Ulm hat er keine neuen Bekannte oder Freunde gefunden. Eines Tages wird Elke sehr krank und niemand scheint es zu bemerken, dass sie plötzlich fehlt. Wie kann das sein?
Mit einem sensiblen Blick für Kleinigkeiten und einem wunderbar tiefsinnigen, manchmal ironischen Ton beschreibt Christian Duda die Sorgen, Ängste und Gedanken des kleinen Kasimir genauso wie die der Erwachsenen, die viel mehr mit sich und der sozialen und gesellschaftlichen Engstirnigkeit und Vorurteilen kämpfen. Das schmale Buch zeigt auf recht einfache Weise, welche Wirkung Kuchen auf Menschen ausüben kann bzw. viel mehr noch die Ausstrahlung der oder die Bäckerin, die den Gaumenschmaus zaubert. Elke ist so eine Zauberin und wie der Autor im Nachwort schreibt, hat sie in der Realität gelebt – und es fiel leider auch erst ihm auf, dass sie verschwunden ist, als sie längst tot war.
Eine wunderbare Geschichte für kleine und große Menschen, die heiter-traurig und nachdenklich über süßen Kuchen und den alltäglichen Umgang ganz verschiedener Menschen mit einem nachdenklichen Beigeschmack erzählt, der aber die Grundrezeptur auf keinen Fall zerstört sondern vielmehr positiv verstärkt. – Schöner, als mit Elke und ihrem Russischen Zupfkuchen (den ich ebenfalls über alles liebe) kann man fast nicht über achtsames, respektvolles und vorurteilsfreies Miteinander aufmerksam machen.
Sabine Hoß
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