Antonia Michaelis
Oetinger Verlag, Juli 2018
368 Seiten, € 18
ab 14 Jahren
Antonia Michaelis ist für ungewöhnliche, bisweilen auch skurrile Geschichten bekannt, die sie zum Teil mit einer besonderen Sprache und Tiefe verfasst.
Ihr neues Buch weist schon mit seinem Titel „Tankstellenchips“ auf einen bizarren Roadtrip hin.
Shayan, ca. 17 Jahre alt, ist ein unbegleiteter Flüchtling aus Persien, der in Deutschland Asyl gefunden hat und aus dem Asylantenheim auf der Flucht vor seinem Abschiedebescheid ist. Dabei trifft er auf einen mehr als abenteuerlichen Zufall auf Davy, einem 8-jährigen Jungen mit einem enormen Sprachfehler, der aus einem Heim geflohen ist und zu seinem Vater nach Köln will.
Ausgangspunkt für die beiden ist ein gottverlassener Landstrich irgendwo im hohen Norden und vor ihnen liegt der weite Weg in den Westen.
Die Buchbeschreibung liest sich originell in der Kombination junger Flüchtling mit kleinem Junge, beide gemeinsam auf einem Roadtrip und eine Umsetzung von Antonia Michaelis verspricht eigentlich eine außergewöhnliche Geschichte.
Auch wenn der Roadtrip im Verlauf der Geschichte sein Tempo erhöht, rutscht die völlig konstruierte, überzogene Handlung zu sehr ins lächerliche ab. Die beiden jungen Protagonisten wirken zu Beginn noch sympathisch und frisch, doch die Story wie Figuren gewinnen nicht an Tiefe und bleiben oberflächlich. Davys Sprachfehler nervt mehr beim Lesen, als er Charme versprühen soll und Shayan, der sich sein Leben als Filmheld tagträumt, gewinnt zusehends und je länger die beiden unterwegs sind, an Dümmlichkeit, die bei einem Flüchtling plakativ wirken, aber alles andere als gerecht sind. Das soll nicht moralisierend kritisch angemerkt sein, doch Shayan weckt den leider Eindruck, dass man sich als Leser mehr über seine Naivität lustig macht, als ihn ernst zu nehmen. Ob das die Autorin beabsichtigt hat?
Obwohl Antonia Michaelis manche Betrachtungsweisen von Flüchtlingen gegenüber Deutschen und auch umgekehrt durchaus mit ironischen Augenzwinkern zwischen den Zeilen gegenüberstellt, bedient sie sich dafür doch allzu gängiger Klischees, was den Witz schal lässt.
Shayan und der kleine Davy könnten ein interessantes Gespann werden, wenn beide Figuren bis zum Schluss nicht so oberflächlich bleiben würden. Was Davy passiert sein mag, dass er mit seinen knapp 8 Jahren kaum sprechen kann und aus dem Heim geflüchtet ist, im Wissen, dass sein Vater ihn wohl nicht willkommen heißen mag, kann der Leser nur erahnen. Wichtig ist das für die Geschichte nicht wirklich, nur die herausragenden Begriffe „Flüchtling“ und „Heimkind“ scheinen zu zählen.
Startet der Roadtrip schon mit einem verwegenen Aufeinandertreffen der beiden Jungs, entwickelt sich die Reise zu einem völlig überzogenen und unrealistischen Überlebenstrip mit Verfolgungsjagd und einem Mädchen, das immer wie aus dem Nichts im richtigen Moment auftritt. Das Ende ist selbstverständlich überwiegend happy, dafür nicht wirklich realistisch.
Weniger Klamauk und Klamotte und Phantasie, dafür mehr Tiefe und Realität bei den Figuren und in der Handlung, dann hätte es in der Tat eine außergewöhnliche Geschichte werden können. Wäre der Roadtrip in seiner abstrusen Schrägheit konsequent durchgezogen worden und würde auf einem anderen Stern spielen, dann könnte man dem Ganzen vielleicht etwas Witz und Charme abgewinnen. So ist es ein Buch das man, wenn man sich bis zuletzt durchgekämpft hat, ohne Nachhall aus der Hand legt.
Antonia Michaelis besitzt mehr Potential in ihren Umsetzungsmöglichkeiten, aber „Tankstellenchips“ ist unter ihrem Niveau und das dem Abbild ihres Hauptprotagonisten.
Sabine Hoß
Bewertung: