Abschiedsfarben

Bernhard Schlink

Diogenes Verlag, August 2020

240 Seiten, € 24,00

 

 

 

 

International bekannt ist Schlink 1995 durch seinen Roman „Der Vorleser“ geworden, der in vielen Sprachen übersetzt und mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet und auch verfilmt wurde.

In neun Kurzgeschichten schreibt der Jurist Bernhard Schlink, Jahrgang 1944, über Abschiede in seinen vielfältigsten Formen:

Ein Mann nimmt Abschied vom Freund, den er verraten hat.

Ein anderer zerstört, was er geliebt und verloren hat.

Eine Frau und ein Mann, die sich in der Jugend geliebt und verfehlt haben, begegnen sich wieder.

Eine Frau muss entscheiden, ob sie dem Mann, der sie verlassen und verletzt hat, vor seinem Tod einen letzten Wunsch erfüllen will.

Eine andere erzwingt das Glück, indem sie ein Tabu aufs Spiel setzt.

Ein Junge verbringt mit seiner Mutter einen Sommer am Meer, entdeckt sie dabei, wie er sie nicht kannte – und sich selbst.

Ein Mann ringt um das Verhältnis zu seinem Bruder, der sich das Leben genommen hat.

Von seinen Erinnerungen überwältigt, such einer die Versöhnung mit seiner Vergangenheit.

Einen alten Mann lässt ein kleines Ereignis neu auf seine Liebe zur jungen Freundin sehen.

(Klappentext des Verlages)

Schlink gelingt es hervorragend, die Geschichten spannend aufzubauen, so dass man beim Lesen wissen will, wohin jeder Abschied geht. Doch nach dem Ende jeder kleinen Geschichte blieb ich seltsam unberührt und enttäuscht zurück. Woran lag das? Vielleicht an der sehr betulichen Sprache, bei der man zwar beim Thema „Abschied“ nicht unbedingt eine heitere Leichtigkeit erwartet, aber Schlinks Erzählungen knarzen und knirschen zu schwerlastig. Hinzu kommt, dass bei aller verständlichen Melancholie, die über den Storys liegt, das Sentimentale allzu oft ins Kitschige übergeht.

Bei allen neun Geschichten wurde ich das Gefühl nicht los, dass eine Idee in eine Schablone gepresst und in der die Charaktere kantig und unscharf reingewuchtet wurden. Die Erzählungen wirken entweder zu konstruiert und starr oder die Entwicklung ist schon recht schnell vorhersehbar (z.B. bei „Geliebte Tochter“).

Keine der Geschichten hat bei mir etwas Nachdenkliches hinterlassen, was ich bei dem Thema und der Lebensreife von Bernhard Schlink schon beachtlich finde. Aber vielleicht war der Autor auch zu verkrampft dabei, etwas nachhallendes über „Abschiede“ schreiben zu wollen. Dabei musste er sich gar nicht so pathetisch und verknarzt geben, denn es gibt jeden Tag im Kleinen wie im Großen Abschiede, die schlicht und klar sind.

Das Cover mit einem kitschigen, dem Biedermeier angelehnten Gemälde von Mary Jane Ansell passt, leider.

Sabine Wagner

 

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