Christian Handel
Ueberreuter Verlag, Juli 2020
416 Seiten, € 17,95
ab 14 Jahren
In der Fantasy und in der Literatur insgesamt trifft man schwule Helden äußerst selten an. Christian Handel lässt seine Hauptperson Rowan in seiner Geschichte „Rowan & Ash“ in einer fantastischen Welt mit seinen Gefühlen zu seinem Geliebten Ash genauso kämpfen, zweifeln, aber letztlich zu sich und seiner Liebe stehen, wie ein junger Mann es in der realen Welt durchstehen müsste. Nur dass er da nicht durch ein Labyrinth aus Schatten und Magie gehen muss und die Akzeptanz seiner selbst und zu seiner Liebe sich am Ende nicht immer ganz so unkompliziert auflöst. Trotzdem ist es ein spannendes, kurzweiliges und unterhaltsames Lesevergnügen, den der Autor uns in der Welt zwischen Ionnach, Gwilen und Iriann dem Leser, der Leserin bietet.
Rowan O`Brien aus Iriann ist mit seiner Familie auf dem Weg nach Ionnach, weil er dort nach zwei Jahren seine zukünftige Ehefrau, die Kronprinzession Alyss treffen wird, die in wenigen Tagen ihren 17. Geburtstag feiert. Die nicht zuletzt aus politisch-strategischen Gründen gewählte Eheverbindung soll Rowan wieder auf den Königsthron helfen und das magische Erbe seiner Heimat bewahren.
Denn einer alten Sage nach wurde vor vielen Jahrhunderten das weiße Schloss in Iriann durch eine Liebestragödie und nach einer wilden magischen Schlacht in eine düstere, bedrohliche Ruine verwandelt, das Schattenlabyrinth. Seitdem ist es ein Ort dunkler und magischer Bedrohungen und keiner, der diese Festung betrat, wurde jemals wiedergesehen. Anlässlich des Geburtstages der Kronprinzessin kommt auch die große Ratssitzung zusammen, um darüber zu beraten, das Schattenlabyrinth vor aller Magie zu versiegeln, was aber die Akademie der Magie verhindern möchte. In dieser Akademie lernt auch Raven, die beste Freundin Rowans seit Kindertagen, magische Künste.
Ein Jahr zuvor ist Rowan zufällig am Strand auf Ash, dem Prinz von Gwilen, getroffen und es war für beide Liebe auf den ersten Blick. Doch nach wenigen Tagen trennen sich wieder die Wege der beiden jungen Männer, ohne dass sie sich näher über ihre gegenseitigen Gefühle austauschen und sich zu ihnen bekennen können. Obwohl Rowan spürt, dass er für seine zukünftige Frau Alyss zwar liebevolle Zuneigung spürt aber niemals die Gefühle für sie entwickeln würde, die er für Ash empfindet, weiß er, dass er diese Liebe nie offenbar machen kann. Persönlich würde er eine Schande für seinen Vater und Familie bedeuten und politisch-gesellschaftlich wäre ein solches Bekenntnis ebenfalls ein Desaster. Doch jetzt, ein Jahr später und anlässlich der Feierlichkeiten treffen Rowan und Ash wieder aufeinander. Hin- und hergerissen zwischen seinen Gefühlen, dem Drang, Ash nahe zu sein und gleichzeitig Abstand zu ihm zu gewinnen, muss Rowan überlegen, ob er sein Leben lang mit einer Lüge leben kann oder ob er ehrlich zu seinen Gefühlen sein und für sich und seine Liebe einstehen will.
Hinter diesem fantastischen Setting zwischen Elfen, Artefakten und dem Kampf um die Zukunft des Schattenlabyrinths und der Magie der Künste arbeitet Christian Handel besonders seine Hauptpersonen Rowan und Ash mit viel Empathie und Tiefe aus. Ohne Übertreibung, dafür mit Feingefühl beschreibt er den inneren und äußeren Kampf von Rowan, zu seiner Liebe zu einem anderen Mann zu stehen und dabei vielleicht alles an familiärer und gesellschaftlicher Stellung zu verlieren.
Am Anfang brauchte die Story ein wenig, bis sie mich gefangen hatte, aber dann baute der Autor einen spannenden Handlungsbogen auf, der mir in den letzten Kapiteln aber leider ein wenig zu schnell auf „show down mit happy end“ zugeschnitten war. Sprachlich liest sich die Geschichte einfach und leicht, wobei ich mich tatsächlich daran gewöhnen musste, dass sie im Präsenz aus der Ich-Perspektive von Rowan erzählt ist, das mich, wie die zu vielen Wiederholungen von Beschreibungen, dass man „die Luft (zwischen den Zähnen) scharf eingesogen hat“ sowie das zu häufig geäußerte „Tuath und Briann sei Dank“ bis zum Schluss gestört hat.
Auch wenn wir heutzutage scheinbar so offen und vorurteilsfrei sein wollen, erlebt man im Berufs- und Alltagsleben immer wieder versteckte oder auch offen gezeigte, aber so gut wie nie offen ausgesprochene Angriffe gegenüber gleichgeschlechtlich Liebenden. Nicht nur alleine deshalb präsentiert dieser ungewöhnliche, spannende Fantasy-Schmöker mit einem schwulen Helden im Hier und Jetzt homosexuellen Jugendlichen (aber nicht nur diesen) ein wenig Mut und Stärke, dass jede Liebe, egal zwischen Mann und Frau oder gleichgeschlechtlich, ihren eigenen Zauber zwischen den Liebenden und in die Welt trägt.
Sabine Wagner