Als ich am Montagmorgen, den 24.01.2022 in den Radionachrichten von der Aktion #outinchurch erfuhr, hielt ich für einen Moment den Atem an.
Da trauen 125 hauptamtliche, ehrenamtliche, potentielle und ehemalige Mitarbeiter*innen der römisch-katholischen Kirche, die in vielen unterschiedlichen Bereichen und Funktionen tätig sind, sich als lesbisch, schwul, bi, trans*, inter, queer und non-binär zu outen. Damit riskieren die meisten ihren Arbeitsplatz, denn ob sie diesen nach ihrem öffentlichen Outing weiterhin behalten, darüber steht ein Fragezeichen.
Die einstündige ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ (Ausstrahlung am Montagabend, 24.01.22, in der ARD-Mediathek abrufbar), initiiert vom katholischen Priester Christoph Simonsen, dem Religionspädagogen und Coach Jens Ehebrecht-Zumsande sowie dem Journalisten Hajo Seppelt, hat mich erschüttert, zu Tränen gerührt und wütend gemacht.
Erschüttert, weil ich mich in diesen Berichten und Aussagen der homophob angegriffenen Menschen wiedererkannt habe und wütend, weil die Vorgesetzten nach wie vor auf ihren Positionen unangetastet sitzen.
Mein persönliches Wiedererkennen:
Kurz nachdem ich vor einigen Jahren in einer der katholischen Kirche angeschlossenen Institution meine neue Arbeitsstelle in einer zentralen Position angetreten habe, die dem AVR-Dienstvertrag unterliegt, erfuhr mein Vorgesetzter nur durch einen Zufall und direkter Nachfrage, dass ich eine Frau liebe und mit dieser zusammenlebe.
Es folgten in den weiteren Jahren in Vier-Augen-Gesprächen von mir empfundene persönlich herabsetzende und auch homophobe Äußerungen sowie ein gängelnder Umgang, die mich tief verletzt haben. Mit meiner sexuellen Identität und meiner Partnerschaft bin ich im Mitarbeiterkreis offen, aber mit Bedacht vorsichtig und alles andere als freizügig oder progressiv umgegangen und habe von den Kolleg*innen nie homophobe Äußerungen oder entsprechend ablehnendes Verhalten erlebt.
Nach drei Jahren wurde ich erstmals krank über dieses Verhalten mir gegenüber. Während meiner Arbeitsunfähigkeit hatte sich die Geschäftsführung die Mühe gemacht, regelmäßig dieses Literaturportal zu kontrollieren, mit der Folge, dass ich aufgefordert wurde, ein ärztliches Attest vorzulegen, dass die „Nebentätigkeit mit Verfassen von Buchrezensionen und die Durchführung von Interviews mit Autoren meinen Genesungsprozess nicht negativ beeinflusst“. (Auszug aus der Abmahnung)
Nach einem weiteren Jahr wurde ich durch den zunehmend respektlosen und gängelnden Umgang durch meinen Vorgesetzten erneut sehr krank. Auch während dieser Arbeitsunfähigkeit erfreute sich „Bücher leben!“ über die eifrige Leserschaft des Vorgesetzten, denn ich erhielt diesmal eine Abmahnung zu meinem Artikel vom 11.05.2021 zur Ablehnung der Deutschen Bischofskonferenz zum nominierten Roman „Papierklavier“ von Elisabeth Steinkellner, Beltz & Gelberg, in dem eine Transgender-Figur auftaucht.
Damals hatte ich geschrieben: … „Wie die katholische Kirche erneut jenseits der Realität lebt und ihre abstrusen Werte vorgibt, ist im boersenblatt.net und u.a. in der Frankfurter Allgemeinen zu lesen.“
Die Abmahnung wurde damit begründet, dass ich „mit dieser Äußerung die kirchlichen Werte als abstrus bewerte und die Glaubwürdigkeit der Kirche untergrabe. Sie haben damit gegen Ihre Loyalitätsverpflichtung verstoßen.“
Untermauert wurde es mit dem AVR-Dienstvertrag, „deren Artikel 4 vorsieht, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen haben. Sie dürfen in ihrer persönlichen Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden.“ (Zitat aus der Abmahnung)
Auch wenn ich damals diesen Satz gelöscht habe bzw. löschen musste, da ich auf meinen Arbeitsplatz zurückkehren wollte, waren die Forderung zur Vorlage des beschriebenen ärztlichen Attestes wie auch die Abmahnung arbeitsrechtlich haltlos, die meiner Meinung nach nur dazu dienten, mich mürbe zu machen.
Nach vier Jahren auf dieser Stelle erhielt ich, während der zweiten längeren Arbeitsunfähigkeit und nach besagter Abmahnung, die erwartete und zunächst unbegründete Kündigung.
Obwohl es Kolleg*innen gab, die mein Leiden sahen, gab es in meiner Position keine Allianzen, Verbündete und selbst die Mitarbeitervertretung traute sich nicht zu einer Stellungnahme, obwohl sie durch ein Gespräch mit mir davon wussten.
Ich war damals sehr froh, in dieser Einrichtung eine tolle Stelle mit einer sozialen Arbeit mit Mehrwert gefunden zu haben, die mir viel Freude gemacht hat und deren Qualität und Leistung nie kritisiert wurde. Doch das jahrelange empfundene persönlich herabsetzende Verhalten mir gegenüber, gespickt mit homophoben Äußerungen stets ohne Zeugen, weil ich mit meiner persönlichen Lebensform nicht der katholischen Kirche – und nicht der eines einzelnen Vorgesetzten entsprach, hat mich über die Jahre hinweg mürbe und krank gemacht.
Dass ich schon aus der Kirche ausgetreten war, als ich bei besagten, der katholischen Kirche angeschlossenen Arbeitgeber eingetreten bin, war interessanterweise kein Problem.
Der Austritt vor einigen Jahren war für mich eine logische Konsequenz, da ich der katholischen Kirche nicht angehören wollte und konnte, die mich als krank und sündig bezeichnet, nur weil ich eine Frau liebe.
Ich habe überlegt, ob ich dieses Statement öffentlich mache, da ich grundsätzlich der Meinung bin, dass es keinen Arbeitgeber zu interessieren hat, wen ich liebe oder welche sexuelle Identifikation ich habe.
Für Arbeitgeber sollte neben der verantwortungsbewussten fachlichen Qualifikation nur wichtig sein, dass sie eine/n Mitarbeiter*in mit Haltung, Respekt und Toleranz bekommen.
Doch Respekt, Toleranz im Umgang miteinander sollte selbstverständlich sein. Und trotzdem hat jede*r, wie die Betroffenen in der Dokumentation und ich, anderes erlebt, erst recht in katholisch-kirchlichen Institutionen, die christliche Werte vermitteln wollen – was jetzt endlich öffentlich gemacht wird.
Sicher, es sind nicht alle Menschen in diesen kirchlichen Organisationen, die Mitarbeiter*innen diskriminieren, die eine andere sexuelle Identifikation als die Heterosexuelle haben, aber jede/r Einzelne*r reicht aus, um das System homophobes Mobbing auszuführen. Ich weiß glücklicherweise durch frühere Arbeitsstellen außerhalb der katholischen Kirche, dass es auch respektvolle, tolerante Vorgesetzte wie Kolleg*innen gibt – eine hoffnungsvolle Perspektive für die Zukunft.
Die Aktion #outinchurch ist mutig, richtig, wichtig und ich habe großen Respekt vor denen, die die zu den Ersten gehörten, die sich in der ARD-Dokumentation geoutet haben und Veränderungen sowie eine Reform fordern – und ich schließe mich hiermit an.
Wir müssen aufstehen und öffentlich machen, was wir,
„als Mitarbeiter*innen in der katholischen Kirche in der schulischen und universitären Bildung, in der Katechese und Erziehung, in der Pflege und Behandlung, in der Verwaltung und Organisation, in der sozialen und caritativen Arbeit, als Kirchenmusiker*innen, in der Kirchenleitung und in der Seelsorge“, (Auszug aus der Website von #outinchurch)
die eine andere sexuelle Identität als die heterosexuelle haben und homophobe Ausgrenzung und Mobbing erleiden und erlitten haben – damit sich JETZT etwas ändert!
Wer die Aktion #outinchurch unterstützen möchte, hier der Link, hier gibt es auch weitere Infos und den Link zur ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“.
Bitte unterstützen Sie die Aktion mit Ihrer Unterschrift auf dieser Petition.
Sabine Wagner