Loveless

Alice Oseman

Aus dem Englischen übersetzt von Vanessa Walder

Loewe Verlag, Februar 2022

480 Seiten, € 14,95

ab 14 Jahren

 

 

Die 18-jährige Georgia liebt alles, was romantisch ist: Hochzeiten, kitschige Liebesfilme und Fanfaction. Doch sie selbst hatte noch keinen Freund oder Freundin und einen ersten Kuss hat sie auch noch nicht erlebt. Ihre beiden engsten Freunde, mit denen sie seit Kindertagen und der vergangenen Schulzeit zusammen ist, sind Jason und Felipa, genannt Pip, die sich bereits mit 15 Jahren geoutet hat, auf Mädchen zu stehen. Gemeinsam mit Pip und Jason beginnt sie ihr Studium in Durham, allerdings auf getrennten Universitäten. Während Georgia die Durham Univiversity besucht, sind Pip und Jason im gleichen Ort auf dem benachbarten St. John`s College.

Georgia ahnt, dass es nicht „normal“ ist, mit 18 Jahren weder für einen Jungen noch für ein Mädchen geschwärmt oder mal einen Kuss ausgetauscht zu haben. Georgia verdrängt den Gedanken und ihr mulmiges Gefühl damit, dass ihr wohl einfach noch nicht der oder die Richtige begegnet ist. Ihre Studentenbude teilt sie sich mit Rooney zunächst mit wenig Begeisterung, da ihre Mitbewohnerin sie mit ihrem aufbrausenden, kaum zu bändigen Temperament und Offenheit überfordert. Rooney geht ohne jede Anstrengung mit den unterschiedlichsten Leuten und Gruppen in Kontakt und ist jeden Abend bis zum frühen Morgen auf einer anderen Party. Georgia beneidet diese unbeschwerte Offenheit und Leichtigkeit, mit fremden Menschen in Kontakt zu kommen, da ihr selber das sehr schwer fällt. Rooney nimmt Georgia unter ihre Fittiche und bemüht sich, sie mit vermeintlich guten Ratschlägen aus ihrer Introvertiertheit herauszuholen und herausfinden zu lassen, ob sie mehr auf Männer oder Frauen steht. Doch je mehr Georgia auf diese Ratschläge eingeht, desto verzweifelter stellt sie fest, dass sie sich weder zu dem einen noch zu dem anderen Geschlecht hingezogen fühlt und verkriecht sich immer mehr in sich zurück, indem sie Fanfiction liest oder romantische Filme schaut.

Erst als Georgia sich der Pride Society anschließt und sich mit ihren Gefühlen und Gedanken Sunhil, ihrem College-Vater und Präsident der Pride Society öffnet, versucht er ihre Verwirrung und Verzweiflung in einem behutsamen Gespräch zu nehmen, indem er ihr die Möglichkeit einer asexuellen Identität erklärt, die unterschiedlich gelebt werden kann. Damit muss Georgia erst einmal klar kommen und das Gehörte verarbeiten.

Da Georgia, Janson und Pip wie Rooney begeisterte Theaterfans sind und alle schon früher in Theater-AG`s gespielt haben, gründen sie eine eigene Theatergruppe, die aber von Anfang an mit Problemen behaftet ist, da ihnen zum einen noch ein Mitspieler*in fehlt, den/die sie noch suchen müssen, damit die Gruppe offiziellen bestand hat, zum anderen ist die Beziehung zwischen Rooney und Pip äußerst toxisch. Dazwischen stehen Jason und Georgia, die auf Empfehlung von Rooney versucht, mit Jason eine Beziehung einzugehen, damit sie herausfindet, ob hinter der engen, vertrauten Freundschaft nicht doch auch eine Liebesbeziehung steckt. Dieser Versucht scheitert kläglich und die langjährige, enge Freundschaft zwischen den dreien steht vor dem Auseinanderbrechen.

Gleichzeitig wird sich Georgia immer mehr bewusst, dass sie aromantisch asexuell ist, was sie erst einmal für sich annehmen muss, bevor sie sich ihren Freunden gegenüber outet, wovor sie natürlich Angst hat. Doch ihr Freund wie Mentor Sunhil und die Pride Society geben ihr emotionale Unterstützung und es wären keine Freunde, würden sie Georgia nicht so annehmen, wie sie ist – als einen wunderbaren, liebevollen Menschen und Freund.

Alice Oseman lässt Georgia aus der Ich-Perspektive erzählen, wodurch ich recht schnell eine sympathische Beziehung zu der Protagonistin knüpfen konnte. Die Handlung kommt gemächlich in Gang und ich empfand die toxische Beziehung zwischen Pip und Rooney im Rahmen der Shakespeare-Theater-AG an manchen Stellen zu dramatisch und aufgesetzt, dennoch hat die Autorin diese Hassliebe letztlich nachvollziehbar aufgelöst. Rooney ist ein ambivalenter Charakter, die mir zunächst nicht sympathisch war, sich aber im Laufe der Geschichte entwickelte und so nachvollziehbar wurde, warum Rooney so ist, wie ist. Georgias Verzweiflung und Frage darüber, warum sie ungeküsst ist, noch nie eine Liebesbeziehung hatte und sie sich von keinem Geschlecht angezogen fühlt, beschreibt Alice Oseman ohne jeden Kitsch und trotzdem empathisch, sensibel klar. Die Autorin erklärt mit Georgias Geschichte auf feine Weise und ohne den Leser/die Leserin belehrend zu überfrachten, die diversen sexuellen Identitäten, die über die bekannte Homosexualität hinausgehen. Die Frage und Sehnsucht danach, wann denn endlich der oder die Richtige für Georgia kommt, wird in mit ihrem Eingeständnis der Zugehörigkeit zur „aromantischen asexuellen Identität“ beantwortet, die selbst der offen lesbischen Pip bis zum Outing ihrer Freundin unbekannt war.

Eine verzweifelte wie nicht erfüllbare Sehnsucht danach, so zu sein wie andere erfüllt Georgia auf dem schwierigen Weg zu ihrer Selbstakzeptanz, bei dem sie an einem mutigen Anfang steht. Georgias Geschichte zeigt, welch wunderbare, warmherzige und empathische junge Frau sie mit ihrer besonderen sexuellen Identität ist, die auf ihre Weise ganz viel Liebe gibt – und alles andere als „loveless“ ist.

Alice Oseman, die bereits durch ihren erfolgreichen Webcomic „Heartstopper“ und der gerade auf Netflix ausgestrahlten Realverfilmung sowie der bei Loewe kürzlich erschienen Graphic Novel international bekannt ist, schreibt in ihrer Danksagung am Ende des Buches, dass „dieses Buch zu schreiben das Schwierigste, Frustrierendste, Erschreckndste und Befreiendste war, was ich je gemacht habe.“

Die Autorin erzählt mit dieser warmherzigen und klugen Geschichte („Own-Voices-Roman“) offen über die eigenen Erfahrungen ihrer Asexualtität, dem schwierigen Weg zur (Selbst-) Akzeptanz und der immer wiederkehrenden Behauptung der inneren Persönlichkeit – egal, wie man von Dritten betrachtet wird.

„Loveless“, 2021 mit dem YA Book Prize ausgezeichnet, steckt voller Liebe und ist ein aufschlussreiches, mutiges Buch für die Akzeptanz einer diversen Zukunft.

Das Cover passt perfekt zum (Original-)Titel und zur Geschichte.

Sabine Wagner

 

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