Als die Mauer fiel, war ich in der Sauna – Gespräche über den Wahnsinn unserer Zeit

Arno Luik

Westend Verlag GmbH, März 2022

288 Seiten, € 24,00

 

 

 

 

Der 1955 geborene Arno Luik kann auf eine erfolgreiche, langjährige journalistische Karriere blicken: Er war viele Jahre Autor der Zeitschrift Stern, Chefredakteur der taz, Vizechef der Münchner Abendzeitung, aber auch Reporter für Geo und den Berliner Tagesspiegel.

Für seine besondere Interviewführung war (und ist) er bei Politikern und Prominenten bekannt wie gefürchtet. Seine Gespräche wurden in mehr als 25 Sprachen übersetzt und für sein Gespräch mit Inge und Walter Jens 2008 wurde er als „Kulturjournalist des Jahres“ ausgezeichnet. Von dem Netzwerk Recherche erhielt Arno Luik für seine Enthüllungen in Sachen Stuttgart 21 den „Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“. 2019 erschien sein Bestseller „Schaden in der Oberleitung – Das geplante Desaster der Deutschen Bahn“ im Westend Verlag.

„Als die Mauer fiel, war ich in der Sauna“ ist ein Zitat aus einem Interview in diesem Buch mit Angela Merkel aus dem Jahre 2000, die kurze Zeit vorher Parteichefin der CDU wurde. In 21 Interviews und Gesprächen, zum Teil auch Streitgesprächen, mit bekannten Politikern und Persönlichkeiten, wie beispielsweise Markus Lanz, Ferdinand von Schirach, Inge und Walter Jens, Oswalt Kolle, Barbara Schöneberger und Gore Vidal werden diese teilweise hart, drängend und nachhakend mit Arno Luiks Fragen konfrontiert. Manchmal gleicht das Gespräch einem Duell, doch bei keinem dieser Gespräche geht sein Gegenüber in die Defensive oder bricht das Interview ab. Die Tatsache, dass Arno Luik mit der Art und Weise seiner besonderen, oft provozierenden Fragen seine Gesprächspartner*innen im Austausch hält, zeigt, dass seine Fragen auf einer sehr intensiven Vorbereitung beruhen, in der sich der Journalist bemüht hat, mehr über die zu befragende Person herauszufinden, als diese über sich selbst weiß. Seine individuelle journalistische Ausleuchtung der befragten Person hat ihn bekannt gemacht, aber man hat sich auch davor gefürchtet. Trotzdem wusste man, wurde man von ihm befragt, wird es kein „nullachtfünfzehn“-Interview.

Obwohl die gesammelten heiter-lustigen bis zu berührenden und bewegenden (Streit-)Gesprächen in diesem Buch zwischen 30 und vier Jahre alt sind, wirken sie tatsächlich zeitlos, denn für Luik war es nicht nur ein Austausch über aktuelle Themen, sondern es ging ihm in seinen Gesprächen immer insbesondere um die Persönlichkeit seines Gegenübers. Dabei stellte er Fragen, die ziemlich unangenehm werden konnten, aber nie die Schwelle der Beleidigung oder Übergriffigkeit übertraten. Diesen feinen Spagat wusste Luik mit Empathie geschickt zu balancieren, auch wenn der ein oder andere Gesprächspartner*in  ihn vielleicht am Ende des kontroversen Gesprächs dennoch gerne sonst wohin gewünscht hat. Auch wenn man oft seine Fragestellungen nicht diplomatisch oder geschickt findet, wusste Arno Luik, wann er sich zurücknehmen musste, um dem anderen mit einem Wort wieder Raum zu geben. Dem Journalist ist dank sehr gründlicher, zeitaufwendiger Recherche (für die heute kein Geld mehr da ist) seine Aufgabe „to inform, to enlight and to entertain“ mit beeindruckendem Tiefgang und zugleich Leichtigkeit gelungen.

Wie schwer das Autorisieren und Redigieren der gegensätzlichen Interviews war (und auch heute noch ist), aus der schnell eine regelrechte Gängelei werden kann, davon erzählt Arno Luik im Nachwort am Beispiel eines Interviews mit Dr. Hans Küng aus dem Jahr 2010.

Sein Stil der Gesprächsführung, die Martin Walser einmal „streichelnd und kratzend“ beschrieb, ist heute sehr selten geworden. Arno Luik mag heute keine konfrontative Gespräche mehr mit Politiker*innen führen, die Angst vor Widerspruch haben, da sie sich kritiklos und ungefiltert auf ihren eigenen, diversen Medienkanäle präsentieren können. Eine Tatsache, die ich für die unverzichtbaren Vertreter der vierten Gewalt in einer Demokratie erschreckend finde.

Arno Luik dazu aus seinem Nachwort in diesem Buch:

„Was macht diese Oberflächlichkeit mit der Debattenkultur, dem öffentlichen Diskurs, ja, letztendlich mit der Demokratie?

Die auf klares und scharfes Denken, genaues Hinschauen, hartnäckiges Hinterfragen, also: auf wirkliche Aufklärung angewiesen ist?

Für die Bürger ist nicht gut, was da passiert.                                                                                   Für jene an der Macht ist es wunderbar.            

 Aber es muss ja nicht so bleiben.“

 Sabine Wagner

 

 

 

 

 

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