Roald Dahl
Mit Bildern von Quentin Blake
Neu übersetzt von Andreas Steinhöfel
Penguin Junior, 21.09.2022
240 Seiten, € 18,00
ab 8 Jahren
Roald Dahl hat viele Bücher mit seinem eigenen britisch-schrägen Humor geschrieben, wie „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „James und der Riesenpfirsich“ oder „Matilda“ (1988) die das Herz von Kindern wie auch Erwachsenen erobert haben. Der Penguin-Junior Verlag präsentiert zunächst sechs der bekanntesten Bücher in einer Neuübersetzung, weitere Bände sind in Vorbereitung.
Matilda ist ein sehr kluges, wissbegieriges kleines Mädchen, das sich schon mit drei Jahren das Lesen selber beibringt. Ihr Bruder Mike ist ein durchschnittlich begabter Junge, während sich bei Matilda schon als kleines Kind überdurchschnittliche Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen, aber auch im Verstehen komplexer Zusammenhänge zeigen. Dabei ist sie keine Spur eingebildet, überheblich, da sie sich ihrer Fähigkeiten nicht wirklich bewusst ist. Von ihren Eltern wird sie allerdings nicht gefördert, vielmehr ist sie für Vater und Mutter in ihrem vielbeschäftigten Alltag ein Störfaktor. Der eitle Vater verkauft mit Gaunertricks und halbseidenen Geschäftspartnern Gebrauchtwagen, während die Mutter regelmäßig zum Bingo geht und penibel auf ihr Äußeres achtet.
Als Matilda mit zeitlicher Verzögerung, weil sich die Eltern nicht um die Anmeldung gekümmert haben, in die Schule kommt, hofft sie, endlich viele Fragen beantwortet zu bekommen und noch vieles Neues zu lernen. Mit Fräulein Honig hat sie eine warmherzige und kluge Lehrerin, die schnell Matildas brillanten Verstand erkennt und dass sie ihren Mitschülern in allen Unterrichtsstoffen weit voraus ist. Fräulein Honig bietet Matildas Eltern an, ihr Privatunterricht zu geben, damit sie sich in der Schule nicht zu sehr langweilt, doch die Eltern interessieren sich nicht für eine effiziente Förderung ihrer Tochter, da ihnen zu viel Schlauheit suspekt ist und sie mehr Wert auf Äußerlichkeiten legen. Außer Fräulein Honig gibt es auch in der Schule keine weitere Unterstützung, denn die Schulleiterin Fräulein Knüppelschuh, eine massige, große wie brutale Frau mit bemerkenswerter Kleidung, die sich sich wie ein wütender Drache aufführt, hasst Kinder im Allgemeinen und ihre Schüler*innen im Besonderen. Ihre liebste Beschäftigung ist es daher, sie mit verschiedenen Methoden grausam zu quälen. Da Erwachsene wie Kinder riesige Angst vor ihr haben, kann sie schalten und walten, wie es ihr gefällt.
Hin und wieder jedoch spielen ihr die Kinder einen Streich, der dann aber mit furchtbaren Strafen von Fräulein Knüppelkuh beantwortet wird. Doch es wäre nicht Matilda, die mit kindlicher Verspieltheit, ihren außerordentlichen, plötzlichen telekinetischen Fähigkeiten und einer großen Portion Witz gelingen würde, sich gegen den Menschenschreck Fräulein Knüppelschuh durchzusetzen. Dabei lernt sie ihre Lehrerin Fräulein Honig über den Unterricht hinaus näher kennen und zu schätzen, was für beide eine Bereicherung ist.
Mit herrlicher Übertreibung, kauzigen Charakteren und einer warmherzigen Matilda, die man sofort ins Herz schließt, beschreibt Roald Dahl in dieser anarchistischen Geschichte mit seinem eigenen frechen Humor, wie egoistisch, überheblich und gefühllos manche Erwachsene (sei es Eltern oder Lehrer*innen) Kindern gegenüber manchmal sein können. Die Kunst des Autors ist die hemmungslose Überzogenheit von Figuren und ihrem Tun, mit der er der Klischeefalle und bitteren Zynismus erfolgreich umgeht, aber trotzdem den Erwachsenen mit bissiger Ironie den Spiegel vorhält.
Dieses Buch macht Kindern wie Erwachsenen großen Spaß – beim Vorlesen, Selberlesen – und es dürfte leicht fallen, über Matilda, ihren Eltern und Fräulein Knüppelschuh miteinander ins Gespräch zu kommen und nachzuhorchen, wie man selber so als Eltern gesehen wird. 😉
Andreas Steinhöfel hat diesen Kinderbuchklassiker neu aus dem Englischen übersetzt und ihr eine zeitgemäße Betonung geschenkt. Die herrlich großzügigen, bunten und witzig-skurrilen Bildern von Quentin Blake Bildern aus der englischen Erstausgabe unterstreichen den Text perfekt.
Sabine Wagner