Spät lieben gelernt – Mein Leben

Erica Fischer

Berlin Verlag, 13.10.2022

224 Seiten, € 22,00

 

 

 

 

In „Spät lieben gelernt“ schaut die Autorin, Übersetzerin, Frauenrechtlerin auf ihr Leben und ihre Familiengeschichte zurück und verbindet diese mit wichtigen Themen des 20. Jahrhunderts. Erica Fischer wurde am 01. Januar 1943 in St Albans, im englischen Exil geboren. Ihre Mutter ist Jüdin und in England haben sich ihre Eltern aus Wien kommend vor der Naziherrschaft in Sicherheit bringen können. Mit fünf Jahren kehrt die Familie 1948 gegen den Willen der Mutter zurück nach Wien, der Heimatstadt ihres Vaters und die es auch für den 1947 geborenen Bruder Peter wird. Die Mutter, die sich in England gut eingelebt hatte, fühlt sich in Wien entwurzelt und mit der dunklen Vergangenheit ständig konfrontiert. Obwohl die Eltern ihren Kindern Erica und Peter eine für damalige Zeit liberale und moderne Erziehung geben, schenken sie ihnen weder Wärme oder Geborgenheit. Peter entwickelt sich zu einem zwar hochintelligenten und künstlerisch talentierten, aber auch sonderbaren jungen Mann, der sich immer mehr zurückzieht. Die Mutter nimmt sich seiner an und nimmt ihm im Laufe der Zeit jede Chance auf ein eigenständiges Leben.

Aus diesem Familienkonstrukt gelingt Erica Fischer der Ausbruch, wenn auch mit vielen Tiefen, Selbstzweifeln und einer langen Identitätssuche. Aber sie ist auch eine Frau, die weiß was will, und was sie nicht will. Und das, was sie will, erreicht sie mit Klugheit, Charme und dem motivierenden Antrieb von Lebenshunger. Auf ihrem, nicht immer einfachen, beruflichen Lebensweg ist sie Journalistin, Übersetzerin und mit der 1994 erschienen dokumentarische und tragisch-schönen Erzählung „Aimée und Jaguar“ feiert sie ihren großen Durchbruch als Autorin. Mit dieser Liebesgeschichte aus dem Berlin im Jahre 1943 setzt sie sich auch mit ihrer eigenen Familiengeschichte intensiv auseinander. Doch auch für die Rechte der Frauen im Besonderen und von Entrechteten im Allgemeinen setzt sie sich schon in jungen Jahren ein und wird eine der Gründerinnen der österreichischen Frauenbewegung. Ihre letzten, im Berlin Verlag erschienenen Bücher zu diesem Thema, waren 2019 „Feminismus Revisited“ und 2021 „ALT – na und?“

In dieser sehr persönlichen und offenen Auseinandersetzung mit ihrem Leben und sich selbst kommt man dieser sympathischen und vielseitigen Lebenskünstlerin ein Stück weit nahe. Erica Fischer ist eine Frau mit Ecken und Kanten und an manchen ihrer Aussagen habe ich mich beim Lesen durchaus gestoßen. Aber gerade diese Reibungen macht die polarisierende Persönlichkeit interessant, die nicht nur eine Meinung, sondern vor allem eine Haltung hat, eine Seltenheit mittlerweile. Eine interessante Lebensgeschichte, die nachdenklich macht.

Sabine Wagner

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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