Lena Hach
Beltz & Gelberg, 08.02.2023
94 Seiten, € 12,00
ab 11 Jahre
Es ist Februar und saukalt. Die 13-jährige Anni holt sich wie jeden Morgen einen Kaffee und ein Hasenbrötchen, bevor sie mit Handtuch und einem Hammer auf dem Gepäckträger zu einem nahegelegenen See radelt. Dort genießt sie die heimlich Einsamkeit mit den Schwänen und das kurze Schwimmen im fast zugefrorenen See, bevor sie zur Schule radelt. Eines Morgens begegnet ihr in der Bäckerei einen Jungen, den sie zuvor noch nie gesehen hat und irritiert. Am See angekommen bemerkt Anni, dass sie den Hammer in der Bäckerei hat liegen lassen. Das hat auch der Junge bemerkt und folgt ihr damit zum See. Obwohl Anni jetzt den Hammer hat, um das nötige Loch in dem zugefrorenen See zu schlagen, ist sie zunächst nicht begeistert, dass der Junge ihr Zuschauer ist. Aber langsam und behutsam kommen sich Anni und Fred durch gegenseitige Neugier und Faszination näher. Als Fred so mutig wird und ebenfalls im eiskalten See baden möchte, stellt Anni fest, dass er Brüste hat. Zunächst ist Anni verwirrt und irritiert, dann beginnt sie über Transsexualität zu recherchieren. Obwohl sie unsicher ist, was sie Fred fragen kann und darf, spürt Anni, dass sie ihn sehr mag. Mit ihm kann sie endlich über den tragischen Unfalltod ihres geliebten Onkel Franz sprechen, worüber sie bisher weder mit ihrer Mutter noch mit ihrer besten Freundin Elmira reden konnte, und auch Fred bespricht mit ihr sehr persönliche Dinge. So gelingt es den beiden in einer knappen Woche von Montag bis Sonntag, sich mit Vertrauen und unbefangener Offenheit gegenseitig Mut zu machen, Dinge anzusprechen und zu fragen, die vorher verdrängt wurden.
Lena Hach hat mit einem sensiblen Gespür eine kleine, aber feine Geschichte mit zwei sympathischen Figuren über Transsexualität geschrieben, die sich offen und klar aber nicht aufdringlich mit der Thematik auseinandersetzt. Mit empathischer, unaufgesetzter Sprache beschreibt sie mit Fred die Problematik und das erlebte Unverständnis aus der eigenen Familie des heranwachsenden Jugendlichen, dem es schon lange bewusst ist, im falschen Körper zu stecken, „und sich nicht etwas in den Kopf gesetzt hat, um es durchzuziehen, sondern es ihm mehr kosten würde, das nicht durchzuziehen, denn dann würde er sich selber verlieren.“
Anni, die mit dem plötzlichen Tod ihres Onkel Franz und den Schuldgefühlen der Mutter alleine gelassen wird und keinen zum Reden hat, erlebt mit Fred trotz der kurzen Zeit einen Menschen, der ihr mit Zuneigung und Verständnis begegnet. Die beiden Jugendlichen finden mit Respekt und einer selbstverständlichen Toleranz die richtigen Wörter füreinander und schenken damit einander Mut, Zuversicht und Halt, was über die ersten gemeinsamen sieben beschriebenen Tage hinausgehen wird. Ein Gedanke, der mich mit Freude am Ende dieser zarten und besonderen Geschichte über Liebe und Freundschaft erfüllt hat.
Das Cover mit den farbigen Zehennägeln passt stimmig zur Geschichte, wenn auch der Hinweis mit einem farblichen Unterschied von zwei Füßen auf eine People of Color-Figur hier nicht stimmt und ich mich frage, warum das hier so hervorgehoben wurde?
Sabine Wagner