In Blaukalter Tiefe

Kristina Hauff

hanserblau, 20.02.2022

288 Seiten, € 23,00

 

 

 

 

Unter ihrem „echten“ Namen Susanne Kliem hat die Schriftstellerin zahlreiche erfolgreiche Kriminalromane veröffentlicht und unter ihrem Pseudonym Kristina Hauff mit ihrem Buch „Unter Wasser Nacht“ gezeigt, wie sie Beziehungen, Familienkonstrukte und einer dramaturgisch raffiniert aufgebauten Handlung zu einem hochspannenden Lesevergnügen verbindet. Mit ihrem aktuellen Roman „In blaukalter Tiefe“ entführt sie den Leser/die Leserin mit einer fesselnden Geschichte auf ein Segelboot, das der Wind in die schwedischen Schären trägt.

Andreas, einer von drei Senior-Partner einer angesehenen Rechtsanwaltskanzlei in Frankfurt, überrascht seine Frau Caroline mit einer zehntägigen Urlaubsreise auf einem Segelboot samt Skipper, der sich  auf Segeltörns in die schwedische Schärenlandschaft spezialisiert hat. Als Chefredakteurin eines angesagten Style-Magazins hat Caroline schon lange keinen Urlaub mehr gemacht, der über ein verlängertes Wochenende hinaus ging. Von daher freut sie sich auf diese Reise, auch in der Hoffnung, dass ihre Ehe, in der Andreas und sie schon lange nur nebeneinander herleben, noch einmal frischen Wind erlebt und sie ein Stück mehr zueinander finden. Ihre Freude wird allerdings getrübt, als Andreas ihr eröffnet, dass sie die Segeltörn gemeinsam mit Andreas Schützling aus der Kanzlei, dem talentierten wie engagierten Rechtsanwalt Daniel Schmidt und seiner Lebensgefährtin Tanja verbringen. Daniel Schmidt, Anfang Vierzig, steht ganz oben auf der Liste als nächster Teilhaber der Sozietät und Andreas will ihn auf dieser Törn besser kennenlernen. Wie Caroline sieht auch Tanja diesem gemeinsamen Urlaub auf so engem Raum mehr als skeptisch entgegen. Tanja, die gelernte medizinische Bademeisterin ist und aktuell als Altenpflegerin arbeitet, ahnt, dass es nur wenige Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte mit Caroline geben wird. Seitdem sie mit Daniel zusammen ist, erlebt sie viele Annehmlichkeiten, die ihr zuvor in diesem Ausmaß und Selbstverständlichkeit unbekannt waren. Da Tanja in Daniel sehr verliebt ist und seine Karriere fördern möchte, begleitet sie ihn auf die mehrtägige Segeltörn, der auch Daniel mit gemischten Gefühlen entgegensieht.

Andreas hat ein großzügiges Segelboot gechartert und der Skipper Eric gibt sich freundlich, aber auch distanziert. Er macht schnell dem Befehle, Anweisungen gebend gewohnten Andreas klar, dass er an Bord das Kommando hat, was zu ersten unruhigen Schwingungen zwischen den beiden Männern führt. Caroline beobachtet Eric interessiert und ist fasziniert von seiner Unnahbarkeit, während ihr Mann nachdrücklich mit Tanja  zu flirten beginnt. Tanja ist das unangenehm und wird zunehmend unsicher, wie sie sich verhalten soll, da sie ja Daniels Karrieresprung nicht gefährden will. Dieser sieht dem ganzen Treiben scheinbar teilnahmslos zu, denn er ist mit einem spektakulären Rechtsfall beschäftigt, dessen Mandat er sich mit Andreas teilt, wobei er die überwiegende Arbeit und Verantwortung trägt. Von den beiden Paaren hat jeder seine eigene Vorstellung an die Segeltörn in die romantische, schwedische Schärenlandschaft, die eine explosive Eigendynamik bekommt und weit von jeder Erwartung abweicht.

Kristina Hauff baut mit diesen brisanten Beziehungskonstellationen und sorgfältig ausgearbeiteten, ambivalenten Charakteren eine hochspannende Geschichte auf, die man ungern aus der Hand legt. Auch wenn man als Leser*in keine Leidenschaft fürs Segeln mitbringt, erlebt man mit dieser fünfköpfigen Crew die Enge auf einem großen Segelboot, man spürt regelrecht die stickige Luft in den Kajüten und den Wind, der mal mehr oder weniger stark bis stürmisch in die Segel bläst. Dabei verbindet sie mit klugen psychologischen Gespür die zwei Paare und den geheimnisvollen Skipper, von denen jeder mit seinen eigenen persönlichen Problemen an Bord kommt. Aus verschiedenen Gründen werden die unterschiedlichen Konflikte immer größer. Einer Spirale gleich schrauben sich Abneigung, Zuneigung, Zweifel, Ängste, Macht und Dominanz der so unterschiedlichen fünf Menschen immer weiter nach oben, ähnlich wie ein laues Lüftchen sich zu einem unerbittlichen Sturm entwickeln kann. Für die romantische Schärenlandschaft hat von der Crew keiner mehr ein Auge, denn durch fehlende Rückzugsorte bricht die mühsam aufrecht erhaltene Fassade der beiden Paare immer mehr zusammen.  Jede*r verfolgt nur noch sein eigenes Ziel, was auf einem Segelboot, auf dem Verlässlichkeit und Vertrauen unerlässlich ist, schließlich zur Katastrophe führt. Mit immer neuen Wendungen hält die Autorin den Spannungsbogen bis zum Schluss mühelos hoch. Selbst beim notwendigen „love interest“ wurde ich überrascht, glaubte ich doch schon zu wissen, wie dieser ausgeht.

Auch wenn mir bisher jede Beziehung zu Segelbooten und dem Segeln an sich fehlt, kann ich nicht verhehlen, dass durch diesen Roman eine gewisse Faszination und Neugier dafür geweckt wurde. Für diesen Roman passend steht der Seglerspruch: „Man soll die Crew nicht vor dem Abend loben.“

„In blaukalter Tiefe“ präsentiert Kristina Hauff durch das Setting auf einem engen Segelboot, ein faszinierendes psychologisches Kammerspiel, das bis zum Schluss durch überzeugende, zwiespältige Charaktere und überraschende Wendungen fesselt. 

Sabine Wagner

Das Cover passt perfekt.

Ein Interview mit der Autorin zu diesem Roman liest man hier.

 

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