Draussen die Welt

Janet Lewis

Aus dem amerikanischen Englisch von Sylvia Spatz

dtv, 16.02.2023

368 Seiten, € 24,00

 

 

 

Die Autorin Janet Lewis lebte von 1899 bis 1998 und verbrachte die meiste Zeit in Kalifornien, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann, dem Dichter Yvor Winters lebte. Janet Lewis wurde als Lyrikerin bekannt, sie schrieb darüber hinaus vier Romane, wobei sie sich in einer Trilogie mit berühmten historischen Justizfällen auseinandersetzte. Als überzeugte Pazifistin und Kriegsgegnerin setzte sie sich auch für die Rechte der indigenen und schwarzen Bevölkerung ein. Der in den USA 1943 unter dem Titel „Against a Darkening Sky“ erschienene Roman ist nun in der Übersetzung von Sylvia Spatz zum ersten Mal bei dtv in Deutschland erschienen.

Die Familie Perrault, hier im Focus die aus Schottland stammende Mary Perrault, ist der zentrale Mittelpunkt und führt als roter Faden durch die Geschichte, die zu Beginn der 1930iger Jahre spielt und einige Jahre umfasst. Die Perraults leben, wie einige andere Familien und Nachbarn, auf Farmen abgelegen im Süden Kaliforniens. South Encina ist die nächstgrößere (fiktive) Stadt, San Francisco ein gutes Stück weit davon entfernt. Mary führt den Haushalt der großen Familie, zu der vier Kinder gehören, ihr Mann kümmert sich um die Farm, züchtet Kaninchen und liest für die Wasserwerke die Wasseruhren auf den Farmen im Umland ab. Die 16-jährige Melanie ist die Rebellischste der Geschwister und will mehr vom Leben, als das, was sie bei ihrer Mutter sieht.

Wenn auch mit Verzögerung zeigt sich der Zusammenbruch der New Yorker Börse auf dem Land. Das Geld wird immer knapper und Mary muss zu ihrer schweren Arbeit auf der Farm auch noch zusätzliche Putzstellen annehmen. Schleichend aber unaufhaltsam macht sich die große Wirtschaftskrise auch auf dem Land bemerkbar. Obwohl es Farmer sind, werden Lebensmittel knapp, das Geld für die wichtigen Autos ist kaum noch aufzubringen. Es verändert das Miteinander der Nachbarn, Misstrauen, Argwohn und kritisches Beobachten, was der andere tut und welche vorgefertigten Schlüsse daraus gezogen werden, nehmen zu. Mary Perrault ist eine gute Seele, die sich auch anderen Familien annimmt. Als eine langjährige und enge Freundin, die wie sie aus dem gleichen Ort in Schottland stammte, bei einem furchtbaren Unglück mit ihren Enkelkindern stirbt, kümmert sie sich liebevoll um den Witwer wie auch um seine Neffen, die ihn unterstützen sollen. Damit kommen sich die beiden Familien näher, was nicht ohne Probleme bleibt. Zudem geht Melanie nach Encina, weil ihr dort eine attraktive Stellung angeboten wird.

Janet Lewis erzählt in ihrem Roman nicht von einem aufregenden Leben und es ist damit auch kein aufregender Plot. Ihre Sprache ist sehr ruhig, ja man könnte sagen, entschleunigend. Diese Entschleunigung führt allerdings leider auch immer wieder zu Längen, wenn sich die Schriftstellerin zu kleinteilig und ausufernd an Beschreibungen beispielsweise von Naturlandschaften, Kaninchen oder einer Bootsfahrt aufhält. Das muss man aushalten können – oder einfach darüber hinweglesen. Dennoch entwickelt Janet Lewis in der unaufgeregten, epischen Erzählung über das Leben mit den hellen, aber auch mit dunklen Seiten der Familie Perrault und das der Nachbarn einen speziellen Sog, dem ich mich trotz der Längen tatsächlich nicht entziehen konnte. Das lag sicher an der Sorgfältigkeit in der Ausarbeitung der wichtigsten Figuren wie auch, dass es in diesem scheinbar „langweiligen“ Leben immer wieder Einbrüche gab, die das Leben herausforderten. Sei es bei familiären oder nachbarschaftlichen Beziehungen, durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, tragische Unglücke und am Ende des Buches eine Entführung mit Todesfolge. Janet Lewis ist es hervorragend gelungen, diese plötzlich hereinbrechenden, dunklen Seiten, die auch die Veränderungen der Gesellschaft und moralischen Werten der damaligen Zeit abbilden, ohne Pathos in das Alltagsleben der Familie Perrault einzubinden.

Genau das macht das 80 Jahre alte Buch auch heute noch aktuell, denn wie Mary Perrault und ihre Familie müssen auch wir uns heute in unserem (alltäglichen) Leben wiederkehrend in unterschiedlichen Beziehungen Situationen und Entwicklungen stellen, die Gesellschaft und Werte verändern und unsere persönliche Haltung immer wieder herausfordert.

„Draussen die Welt“ ist ein ruhiger, leiser Roman, leider mit Längen, über das Alltagsleben einer Farmerfamilie im Süden Kaliforniens mit hellen und dunklen Tagen, der die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und gesellschaftliche Veränderung im Kleinen wie im Großen beeindruckend darstellt.

Das Cover ist – Geschmackssache.

Sabine Wagner

 

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