James

Percival Everett

Übersetzt aus dem Englischen von Nikolaus Stingl

Hanser Verlag, 18.03.2024

336 Seiten, € 26,00

 

 

 

Mit „James“ präsentiert der 1956 geborene und in Los Angeles lebende Percival Everett eine Adaption des Klassikers von Mark Twains „Huckleberry Finn“, eines der wichtigsten Bücher der amerikanischen Literatur.In „James“ ist der farbige Sklave Jim, der in Wahrheit den Namen James trägt, als Ich-Erzähler die Hauptfigur, während er in „Huckleberry Finn“ nur eine Nebenfigur war und damit aus einer neuen Perspektive die Geschichte trägt.

Jim ist alles andere als ein ungebildeter, dummer Sklave, er kann lesen und schreiben, liebt Kirkegaard und in seinen Träumen tauscht er sich mit Voltaire oder John Locke aus. Nach außen spricht er die derbe Sprache der Sklaven, ein Dialekt, den der Übersetzer Nikolaus Stingl großartig stimmig ins Deutsche übertragen hat. Auch wenn Jim unter seinesgleichen eine klug-geschliffene und gebildete Sprache spricht, benutzt er diesen vernuschelten Dialekt als Tarnung gegenüber den Weißen, die niemals für möglich halten würden, dass ein Sklave gebildet, ja humorvoll intellektuell ist. Dieses andere, gebildete Leben hält Jim am Überleben und lehrt seiner Frau Sadie und Tochter Lizzie, mit denen er in dem kleinen Dorf Hannibal als Sklave lebt, wie sie den Weißen gegenüber „richtig“ sprechen, damit ihre gebildete Ausdrucksweise sie nicht verrät. Als Jim verkauft werden soll, flüchtet er mit dem Jungen Huck, der wiederum vor seinem brutalen und gewalttätigen Vater abgehauen ist. Die beiden geraten in eine hochspannende, gefährliche Treibjagd vor den Weißen, nicht zuletzt, weil man Jim als Mörder von Hucks Vater verdächtigt.

Jim und Huck erleben furchtbares, gewalttätiges und bizarres auf ihrer Flucht auf dem Mississippi und an Land, und doch gelingt es Jim durch seine Bildung und Belesenheit für sich kleine Inseln der Hoffnung und Zuversicht zu finden. So wird James mit Schuhwichse noch dunkler schwarz gefärbt an einen „Blackfacing“-Chor verkauft, in dem sich Weiße mit Farbe schwarz färben und mit „Nigger-Gesang“ die Sklaven und Schwarzen verhöhnen. Der ungebetene Griff ins schwarze krause Haar, das an dieser Stelle als Perücke verkauft wird, ist bis heute zu aktuell und beschämend.

Wie aus mehrdeutiger Sicht gefährlich der Mississippi ist, erzählt Percival Everett grandios. In einer bilderreichen und ausdrucksstarken Sprache hat der Autor tiefgründig und facettenreich seine Hauptfigur Jim angelegt, den er über den Rassismus zur Zeiten der Sklaverei und seine Suche nach Identität erzählen lässt.

Mit „James“ ist Percy Everett eine großartige, tiefgründige und philosophische Abenteuergeschichte über Sklaverei, Rassismus, Identitätssuche gelungen, die mehr als nur eine Bearbeitung von Mark Twain`s „Huckleberry Finn“ ist, denn er hinterfragt diese zeitlosen politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Themen.

Eine Adaption eines amerikanischen Klassikers von 1885, die mit berührender, emphatischer Ausdruckskraft und eigenen Stil die Qualität eines modernen neuen Klassikers hat. Beeindruckend – auch der Übersetzung von Nikolaus Stingl geschuldet!

Sabine Wagner

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