David Safier, Jahrgang 1966, ist bekannt als Bestsellerautor von heiteren und scharfsinnigen Romanen mit phantastischen Elementen wie „Plötzlich Shakespeare“, „Mieses Karma“ oder „Happy Familiy“ (alle rowohlt). Nach einer Ausbildung zum Journalist arbeitete er bei Hörfunk und Fernsehen. Seit 1996 schreibt er überwiegend Drehbücher, u.a. für „Nikola“, „Himmel und Erde“ , „Die Camper“. Die von ihm als Hauptautor entwickelte Sitcom „Berlin, Berlin“ wurde 2003 mit dem Adolf-Grimme-Preis in der Kategorie «Fiktion und Unterhaltung» ausgezeichnet. Zudem erhielt sie 2004 den bekannten US-amerikanischen Fernsehpreis Emmy.
Mit „28 Tage lang“ präsentiert er ein Buch, in dem er nicht nur zum ersten Mal das Genre wechselt, sondern auch eine Geschichte geschrieben hat, die ihn schon lange beschäftigte.
Safier stammt aus einer Familie, die ebenfalls vom Holocaust betroffen ist: Sein Vater, Jahrgang 1915 wurde von den Nationalsozialisten verfolgt, sein Großvater ist in Buchenwald umgekommen, seine Großmutter im Ghetto von Lodz.
Obwohl der in Bremen lebende David Safier derzeit mit „28 Tage lang“ auf zahlreichen Lesungen unterwegs ist, hat er sich Zeit für ein Interview genommen.
Die Geschichte von „28 Tage lang“, die von menschlicher Größe aber auch von Feigheit und unglaublicher Brutalität handelt, haben Sie schon lange mit sich getragen; nicht zuletzt, weil auch Ihre eigene Familie vom Holocaust betroffen war.
Wann haben Sie gemerkt, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist, den Roman niederzuschreiben?
David Safier:
Ich glaube, das hat etwas mit Reife zu tun. Ich habe das Buch schon mit 25 Jahren schreiben wollen, habe aber erst mit 45 die Mittel und den Zugang gehabt, die Geschichte genauso zu vermitteln, dass alles, was mich an ihr fasziniert – die menschliche Größe und die menschliche Niedertracht – auch bei dem Leser ankommen kann.
Der Aufstand im Warschauer Ghetto ist der größte und einzige der jüdischen Bevölkerung gegen den wahnsinnigen Völkermord. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum es nicht mehr organisierten Widerstand gegeben hat?
David Safier:
Wenn man mein Buch liest, kann man erkennen, wie perfide die Nationalsozialisten waren. Sie verbreiteten Angst und Terror und gleichzeitig hatten die Menschen auch immer wieder die Hoffnung, „so schlimm kommt es“ nicht oder „mich wird es nicht so treffen“. Der Widerstand im Ghetto entstand erst so richtig, als alle Beteiligten sich klar waren: Wir werden auf jeden Falle sterben, es ist nur die Frage ob wir uns wehren oder nicht.
Viele der Überlebenden des Ghettos und Aufstandes sind heute sehr alt oder bereits verstorben. Welchen historischen Quellen haben Sie sich bedient, gibt es noch Augenzeugen, mit denen Sie sich unterhalten haben?
David Safier:
Nein, die historischen Quellen, die ich benutzt habe, sind allesamt Aufzeichnungen aus Erinnerungen von Überlebenden. Alles was Mira in meinem Roman erlebt, haben Menschen so oder so ähnlich damals erlebt.
Sie beschreiben das harte Leben im Ghetto ungeschönt . Es gibt Szenen, die sind von einer erbarmungslosen und schockierenden Brutalität. Wie haben Sie beim Schreiben immer wieder eine Distanz zu dieser unglaublichen menschlichen Niedertracht geschafft?
David Safier:
Wenn mich etwas zu sehr runtergezogen hat, habe ich an die Momente der Hoffnung, der Menschlichkeit und der Größe gedacht, die man alle auch in diesem Buch finden kann. Durch sie ist die Geschichte für mich und den Leser nicht nur ertragbar, sondern auch mit Hoffnung verknüpft.
Glauben Sie an Schicksal oder eher daran, dass der Mensch immer selber seine Geschicke und Wege leitet?
David Safier:
Nein, die Welt und die Umstände können sehr viel größer sein als der Mensch es selber ist. Er hat nur immer den Spielraum, dem ihm das Schicksal lässt. Und in diesem Spielraum kann er über sein Geschick dann entscheiden.
Rubinstein, der Ghetto-Narr hat mit seinem tragisch-komischen Verhalten sein Leben, aber auch das von anderen, auf einem sehr schmalen Grat ständig in Gefahr gebracht, sich aber letztlich genau damit vor dem Verhungern bewahrt.
Ein Wahnsinniger, der auf seine Weise mit der Angst der anderen erfolgreich spielt?
David Safier:
Also der historische Rubinstein war ein Ghettonarr. Ich habe ihm noch diese Extradimension gegeben, damit er die zentrale Frage des Buches: „Was für ein Mensch willst Du sein“, stellen kann.
Weiß man, ob Rubinstein das Warschauer Ghetto überlebt hat?
David Safier:
Soweit man es beurteilen kann, wurde er in die Lager gebracht und dort getötet.
Wir leben heute in einer schnellen und immer oberflächlich werdenden Gesellschaft – und in einer überwiegend friedlichen Demokratie. Moralische Werte wie Loyalität oder die Grenze, den eigenen Vorteil auf Kosten anderer zu sichern, verwischen immer mehr.
Wird es nicht immer schwieriger, Jugendliche wie Erwachsene mit den im Roman getragenen universellen und existentiellen Fragen: „Wie weit würde ich gehen, um mein Leben zu schützen?“ aufzurütteln?
David Safier:
Diese Fragen sind ewig und universell, ich glaube, sie gehen jeden von uns an und dass auch gerade Jugendliche sich diese Fragen stellen.
Sie sind zur Zeit mit diesem Buch auf zahlreichen Lesungen unterwegs. Wie sind die Reaktionen? Wovon sind Sie beeindruckt, was bewegt Sie – worüber wundern Sie sich?
David Safier:
Ich freue mich, dass jung und alt so positiv auf das Buch reagieren, dass das, was ich beabsichtigt habe, aufgeht und Leser das Buch lieben. Überraschen tut mich der kommerzielle Erfolg des Buches. Dass ein Roman über das Warschauer Ghetto in den Top Ten der Bestsellerliste steht, ist schon toll.
Als Bestsellerautor von heiteren Romanen war es sicher nicht einfach den Verlag zu überzeugen, Sie von einer ganz anderen schriftstellerischen Seite zu präsentieren?
David Safier:
In dem Augenblick wo der Text vorlag, waren alle Zweifel, die es im Verlag gab, weg und der ganze Verlag hat sich dankenswerterweise begeistert hinter das Buch gestellt.
Dieser Roman war ein persönliches Herzensprojekt von Ihnen. Bedeutet das, dass Ihr schreibender Schwerpunkt zukünftig wieder eher im heiteren Genre liegt?
David Safier:
Das nächste Buch wird wieder heiter. Und dann kann ich mir vorstellen zwischen den Genres immer wieder hin- und her zuwechseln. Ich liebe Komödien.
Und nun auch für Sie zum Abschluss die letzten drei „Bücher leben!“ –Fragen:
Wann arbeiten Sie? (morgens, mittags, abends, immer)
David Safier:
Von 10-19 Uhr mit Pausen.
Wie arbeiten Sie? (per Hand, Laptop, PC)
David Safier:
Ich schreibe die Dinge per Hand vor und überarbeite im Computer.
Wo arbeiten Sie?(Arbeitszimmer, Küchentisch, Baumhaus, überall)
David Safier:
Arbeitszimmer und Café
Sabine Hoß