Christian Linker
dtv, Januar 2016
320 Seiten, € 14,95
ab 14 Jahren
Jakob lebt mit seiner Freundin in einer Studenten-WG ziemlich lustlos und ohne wirklichen Plan, was er mit seinem Leben anfangen soll. Nach dem Abitur ist er seiner Freundin Liz nach Bonn gefolgt um dort in einer schon fast eheähnlichen Beziehung ein Studium zu beginnen, das ihn nicht sonderlich interessiert und daher entsprechend frustriert. Die Beziehung zu seiner Freundin engt ihn zu sehr ein und er fragt sich, warum die große Verliebtheit, die noch vor kurzem da war, plötzlich verschwunden ist. In diesem Zustand trifft er auf ein Mädchen, von dem er nur ihre strahlenden blauen Augen sieht, da das übrige Gesicht von einem schwarzen Schleier verhüllt ist. Samira wird in einer Unterführung von rechtsradikalen Jugendlichen brutal bedrängt und Jakob hat genug Courage, dazwischen zu gehen und die junge Frau zu befreien. Die wunderschöne Blauäugige bedankt sich bei ihm und verschwindet. Nur durch Zufall entdeckt Jakob ein Foto von ihr und stellt fest, dass Samira in einer Salafisten-Gruppe junge Frauen missioniert. Diese Tatsache hält Jakob nicht davon ab, Kontakt mit ihr aufzunehmen, denn er will mehr von diesem Mädchen wissen und besucht sie deshalb in einer Moschee, wo er auch auf ihren Bruder Adil trifft. Obwohl Samira ihn deutlich auf Abstand hält, ist sie dennoch neugierig auf Jakob geworden, der sich nicht abschütteln lässt. Adil rettet wenig später Jakob aus einer ausweglosen Situation und so gerät er in einem langsamen Prozess in die Fängen und Abhängigkeiten der Salafisten. Während Adil als ein überzeugt strenggläubiger und radikaler Muslime seine Erlösung und Heil in seinem Kampf für den islamischen Staat in Syrien sieht, betrachtet seine Schwester Samira den salafistisch geprägten Islam mit seinen tödlichen Ziele wesentlich kritischer. Sie hat sogar den Mut, in der Moschee die Hassparolen laut in Frage zu stellen.
Jakob ist in seiner bisherigen Welt orientierungslos und perspektivlos task planning. Durch die klaren Strukturen der Salafisten und dem Gefühl, in einer Gemeinschaft das Zusammengehörigkeitsgefühl zu erleben, rutscht er schleichend und doch schnell in diese Bewegung ab. Weder seine alten Freunde noch seine Familie können ihn davon abhalten, Jakob hat mit seinem alten Leben abgeschlossen. Sein Ziel ist soll der Dschihad in Syrien sein, auf den ihn Adil und die Salafistenbewegung vorbereiten. Doch je öfter er mit Samira zusammen ist und mit sich ihr auseinander setzt, desto unsicherer wird er.
Jakob erzählt im Gefängnis sitzend rückblickend seine Geschichte. Einem Tagebuch angelehnt sind die Abschnitte mit Datum versehen. Jakob erhält im Gefängnis das Tagebuch von Adil, der in Syrien sein Ziel erreicht hat und dessen Daten-Einträge nach islamischer Zeitrechnung eingetragen und in anderer Schriftart geschrieben sind und abwechselnd Jakobs Geschichte in zwei Perspektiven erzählen.
Christian Linker hat einen profunde recherchierten, packenden und tiefgründigen Roman geschrieben, der einen klaren und verstörenden Einblick in den salafistischen Einfluss gibt. Der Autor verzichtet dabei dankenswert auf den erzieherischen und moralisch erhobenen Finger und zeigt am Beispiel eines ganz „normalen“ Jugendlichen, der auf der Suche nach Halt, Orientierung in einem schleichenden Prozess in eine brutale Glaubensgemeinschaft mit todbringenden Zielen gerät. Jakob vermisst persönliche Wertschätzung, die er auch in seiner Familie, im Elternhaus nicht erfährt, was der salafistischen Gemeinschaft nur noch mehr zugutekommt.
Natürlich ist es auch eine Liebesgeschichte zwischen Samira, die mit ihrer kritischeren Betrachtung einen Gegenpol zu ihrem Bruder Adil darstellt. Eine Liebesgeschichte, in der auch einmal ganz offen und direkt, ohne die üblichen blümeranten Schnörkel und Schleifchen eine Sex-Szene beschrieben wird, die durchaus die Unsicherheiten und Ängste eines jungen Mannes zeigt.
Christian Linker hat einen sehr spannenden, aktuellen und aufschlussreichen, vielschichtigen Roman über Salafismus und der tödlich verlaufenden Suche nach Halt und Orientierung geschrieben, der nachdenklich machend nachhallt.
Es gibt vom Verlag für dieses Buch Unterrichtsmaterial und nicht zuletzt deshalb ist es als Schullektüre empfehlenswert.
Das Cover fällt auf und mutet ein wenig reißerisch an. Der Titel ist dem ebenfalls ausgezeichneten Buch zum gleichen Thema von Anna Kuschnarowa “Djihad Paradise” (Beltz & Gelberg 2013) doch sehr abgeschaut.
Sabine Hoß
Bewertung: