Es ist zwar keine besonders originelle Frage, aber bei dem doch außergewöhnlichen und ausgefallenen Rahmen und Schauplatz in einem Stahlwerk im Jahre 1942 interessiert es mich, wie Sie auf die Idee zu diesem Thriller gekommen sind?
Vor über 30 Jahren habe ich als junger Mann in den Stahlwerken der Peine-Salzgitter AG gejobbt. Zunächst als Brenner, dann als Kranführer. Einige entlegene Bereiche und Hallen des Stahlwerkes sahen tatsächlich noch so aus wie zu Kriegszeiten. Es war dunkel, verschlungen, unheimlich.
Irgendwann entdeckten ein Kollege und ich den Eingang zur Kellerwelt, ein faszinierendes, kilometerlanges Labyrinth unter dem Stahlwerk, mehrere Stockwerke tief. Mir war schon damals bewusst, dass sich dieses Setting gut für einen Roman eignen würde.
Wenn man den Erfolg von „Der nasse Fisch“ von Volker Kutscher und seinem Ermittler Gereon Rath mit der Staffel-Verfilmung „Babylon Berlin“ und Ihren Erfolg mit „Das Stahlwerk“ betrachtet, kann man den Eindruck bekommen, dass Krimis, die in den 30igern und 40iger Jahren spielen, gerade „en vogue“ sind. Woran glauben Sie, liegt das und sehen Sie das auch so??
Die Goldenen Zwanziger waren eine Zeit des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aufbruchs, gefolgt von der dunkelen Epoche der Nazizeit. In diesem Umfeld lassen sich natürlich viele spannende und interessante Geschichten platzieren.
Sie haben unglaublich gut die gewaltige, dunkle und beängstigend wirkende Atmosphäre eines riesigen Stahlwerks (während der Naziherrschaft im zweiten Weltkrieg) transportiert.
Wie lange haben hierzu Ihre Recherchearbeiten gedauert und wo/wie haben Sie recherchiert, um die Atmosphäre und das Arbeiten in einem Stahlwerk jener Zeit mit seiner verwinkelten labyrinthartigen Größe so detailliert beschreiben zu können?
Ich habe nur ca. 18 Monate im Stahlwerk gearbeitet. Diese Zeit hat aber ausgereicht, um genug Atmosphäre „aufzusaugen“.
Wie lange haben Sie insgesamt an diesem Roman geschrieben?
Die Idee zum Buch hatte ich bereits vor über 30 Jahren. Ich habe dann darüber nachgedacht, wie man die Atmosphäre mit einer spannenden und stimmigen Story unterfüttern kann. Dies war jedoch eher ein unbewusster Vorgang.
Mein Großvater mütterlicherseits war Pole. Er schuftete zu Kriegszeiten als Zwangsarbeiter in einem Stahlwerk. Als mein Vater mir von seinem Schicksal erzähte, kam mir der Gedanke, einen Kriegsgefangenen zur Haupfigur des Krimis zu machen.
Nach und nach ist so in 30 Jahren die Geschichte vom Kriegsgefangenen Kommissar Jarek Kruppa entstanden. Mitte 2019 war mir dann bewusst, dass ich ein komplettes Buch im Kopf fertig geschrieben habe. Von Januar bis März 2020 habe ich es dann niedergeschrieben.
Was war für Sie besonders faszinierend beim Schreibprozess und was empfanden Sie eher anstrengend (falls es das überhaupt war.)
Wenn man z.B. eine Szene beschreibt, an der drei Personen in einem Raum Sitzen und sich unterhalten, dann sitzt man als Autor mit am Tisch. Damit die Szene lebendig und glaubhaft wird, muss man gedanklich in den Raum hinabsiken. Man muss sich den Raum bildhaft vorstellen, mit allen seinen Details. Dazu die Handlungen, die Rhetorik, die Gestik und die Mimik der Personen. Man ist stiller Beobachter, zugleich jedoch auch Schöpfer – ein faszinierender und auch anstrengender Prozess.
Haben Sie sich mit diesem Thriller einen lang gehegten kreativen Schreib-Traum erfüllt?
Jein. Es ist wie bei jedem Produkt, das man in die Welt setzt. Man freut sich, dass es gut ankommt.
„Das Stahlwerk“ ist Ihr Debüt als Roman- und Thriller-Autor und ist sofort ein großartiger Erfolg geworden. Haben Sie Angst, an diesem Erfolg bei weiteren Büchern gemessen zu werden?
Nein.
Sie haben Ihren ersten Roman in Ihrem eigenen Verlag „Cleverprinting“ herausgebracht, der für seine hervorragende Fachkompendien in der deutschen Druck- und Medienbranche und für seine Schulungen im Bereich Grafik, PrePress sowie iPad- und Tablet-PC-Publishing bekannt ist. Dem allgemeinen Belletristik- oder Krimi/Thriller-Leser ist dieser Name nicht unbedingt geläufig und würde hier auch nicht nach einem neuen Thriller suchen.
Wie ist es Ihnen gelungen, dass Ihr erster Roman, der ja ausgerechnet in der auch für die Buch- und Verlagsbranche sehr schwierigen Corona-Zeit auf den Markt kam, relativ schnell bekannt wurde und auch auffällig beworben wurde bzw. wird?
Natürlich habe ich daran gedacht, dass Buch zu verschieben. Aber da alle meine Schulungen wegen Corona abgesagt wurden, hatte ich viel Zeit mich um das Marketing und die Pressearbeit zu kümmern. Das kam dem Buch und seiner Bekanntheit natürlich zugute.
Hat es für Sie nur Vorteile gehabt, den Thriller im Eigenverlag zu produzieren und herauszugeben und wenn ja, welche Vor- oder auch Nachteile sehen Sie im Vergleich, als hätten Sie das Buch an einen mitbewerbenden Verlag abgegeben, der auch andere Thriller-/Krimi-Autoren unter Vertrag hat?
Als unbekannter Autor bekommt man bei einem Verlag nur 8-10% vom Verkaufspreis als Honorar. Bringt man das Buch im Eingenverlag haraus, ist der Honoraranteil natürlich viel höher. Allerdings trägt man dann auch die Produktions- und Marketingkosten selbst. Anderseits fehlen einem als Selfpublisher wichtige Pressekontakte. Kein großes Medium stellt Bücher von unbekannten Selfpublishern vor.
Wird es Fortsetzungen von Kruppa geben oder bleibt es bei dieser einen fulminanten Ermittlung? Oder gibt es Ideen für einen ganz anderen Roman oder Thriller?
Ich habe noch Ideen für einen Science-Fiction- sowie für einen Fantasy-Roman. Auch Jarek Kruppa könnte noch einmal zum Einsatz kommen. Aber als nächstes werde ich vielleicht einen Thriller schreiben, der in unserer Zeit angesiedelt ist.
Und zum Schluss auch für Sie die drei typischen „Bücher leben!“-Fragen:
Wann schreiben Sie? (morgens, mittags, abends, immer)
Im Kopf, von früh bis spät.
Wie schreiben Sie? (per Hand, Laptop oder PC)
Am Laptop, Ideen und Notizen per Hand.
Wo schreiben Sie? (Arbeitszimmer, Küchentisch, Baumhaus, überall)
Im Auto, im Büro.
Sabine Wagner