Julie Peters
Aufbau Taschenbuch, 17.05.2022
412 Seiten, € 12,99
Unter dem Marken-Namen „Käthe Kruse“, der 2016 als Markenname des Jahrhunderts ausgezeichnet wurde, werden bis heute Puppen und andere Kuschelartikel hergestellt. Doch es war ein sehr langer, harter und steiniger Weg für die 1883 unehelich geborene Katharina Simon, bis sie diesen künstlerischen und finanziellen Erfolg feiern konnte.
Die Autorin erzählt in einem Bogen von 1883 bis 1911 von verschiedenen beeinflussenden Lebensstationen von Käthe Kruse, sowie von ihrer Mutter, die den kargen Unterhalt als Näherin verdiente. Als achtjährige verliebt sich Katharina in eine Puppe, die sie aber aus Kostengründen nicht bekommt. Stattdessen bekommt sie von Tante Paula, die Schwester ihrer Mutter, die die beiden unterstützt, eine Puppe geschenkt, die das genaue Gegenteil von dem ist, die sie haben wollte: Perdita ist starr, unbeweglich und hart, ihr Körper ist aus Leder genäht. Das kleine Mädchen ist schwer enttäuscht und kann mit dieser Puppe, die so leblos ist, nichts anfangen.
Mit 16 Jahren geht Käthe als Schauspierlin nach Berlin ans Theater und feiert als Hedda Somin beachtliche Erfolge. Sie geht in Künstlerkreisen ein und aus und lernt dabei den gutaussehenden Bildhauer Max Kruse kennen, in den sie sich auf Anhieb verliebt. Kruse, der ihre Liebe erwidert, aber bereits verheiratet war und Familienvater ist, macht Katharina eindeutig klar, dass er sie nicht heiraten wird. Als Katharina schnell zum ersten Mal schwanger wird, kümmert er sich zwar um die beiden, bleibt aber bei seinem Wort. Nach dem zweiten Kind muss Katharina auf Anweisung von Max Kruse nach Ascona, auf den Berg Verità, da sie in Berlin fürchten muss, dass man ihr als nicht verheiratete Frau ihre Kinder wegnimmt. Auf dem Berg Veritá versuchen Henri Oedenkoven mit Ida Hofmann und Gustav Gräser mit einem alternativen Siedlungsprojekt eine Künstlerkolonie aufzubauen. Max Kruse glaubt und hofft, dass seine Frau hier ihre eigentliche Künstlerstimme findet, denn von der Schauspielerei, die durch die zwei Kinder an Engagements gelitten hat, hält er nicht viel. Doch unter den sehr ärmlichen und asketischen Umständen auf dem Berg muss sich Katharina um das Wohl ihrer Kinder sorgen und kümmern, Max Kruse gibt nur seltene Stippvisiten.
Als sich die älteste Tochter eine Puppe wünscht und Katharina diesen Wunsch an ihren Vater in Berlin weiterleitet, antwortet dieser, dass er keine dieser scheußlichen Puppe kaufen werde, sie solle selber eine machen. Mit dieser Aufforderung beginnt Katharina die ersten Ideen für eine Puppe zu sammeln und umzusetzen, die nicht so kalt, steril wie die sind, die mit zerbrechlichen Porzellanköpfen an Kinder verschenkt werden. Doch immer wieder kämpft sie mit ihren eigenen Zweifeln, muss sich gegen ihren dominierenden Mann durchsetzen, der sie mittlerweile geheiratet hat und später gegen obskure Firmen, die zwar mit ihrem Namen Geld verdienen wollen, aber nicht mit „ihren“ Puppen.
Die Autorin Julie Peters beschreibt lebendig die historischen und gesellschaftlichen Konventionen, in denen Christiane Simon ihre Tochter Katharina unehelich geboren aufgezogen hat und Katharina als junge Frau ihre Liebe zum Theater entdeckt, damit Freiheiten erlebt und lebt. Für Max Kruse und Katharina ist es die große Liebe, für den Bildhauer ist seine Geliebte auch eine lebensnotwendige Muse. Obwohl Katharina lange braucht, um sich gegen ihren Mann in persönlichen und künstlerischen Dingen durchzusetzen, finden die beiden immer wieder zueinander.
Julie Peters erzählt in einer leicht zu lesenden Sprache, in der Max Kruse mir zu oft immerzu brummte und es an verschiedenen Stellen stets muckelig warm war, unterhaltsam den Lebensweg der späteren Puppenmacherin.
Der zweite Teil des spannenden Lebenswegs (ab 1911) der zweifelnden, mutigen Käthe Kruse, die ein warmherziges Herz nicht nur für ihre eigenen Kinder hatte, ihren Mann unendlich liebte und deren Name und Marke bis heute mit Puppen und Kuscheltieren kleine aber auch große Menschen begeistert, erscheint unter dem Titel „Käthe Kruse und das Glück der Kinder“ im Herbst 2022.
Sabine Wagner