Mirjam Mous
Aus dem Niederländischen von Verena Kiefer
Arena, Januar 2011
272 Seiten, € 12,99
Jugendbuch, ab 12 Jahre
Inhalt:
Ein Junge wacht auf einer öden, einsamen Grasebene auf, neben ihm ein Rucksack. Er kann sich weder an seinen Namen erinnern, noch wie er an den Ort hingekommen ist oder wo er überhaupt sein könnte. Er durchwühlt den Inhalt seines Rucksacks und als er ein Handy entdeckt, glaubt er schon fast an Rettung und Klärung. Doch als er eine Nachricht auf der Mobilbox abhört, warnt ihn seine eigene Stimme, auf keinen Fall die Polizei zu verständigen. Völlig ratlos und verwirrt steigt er als Anhalter in das Auto eines hübschen, netten Mädchens namens Lara, die ihn zur Pension ihrer Tante mitnimmt. Als sie ihn nach seinem Namen fragt, nennt er sich „Boy Seven“. Diesen „Namen“ findet er auf seinem Rucksack und in seiner kompletten Kleidung eingestickt. Mit Hilfe seines Rucksackinhalts und mit vermeintlicher Unterstützung von Lara versucht er zu rekonstruieren, woher er kommt, warum er sich an nichts mehr erinnern kann und auf keinen Fall mit der Polizei in Kontakt treten darf. Als er bei seiner Spurensuche in die Vergangenheit ein Notizbuch entdeckt, macht er eine unglaubliche und gefährliche Entdeckung.
Rezension:
Ein Science-Fiction-Thriller mit dem Thema, dass in Zukunft die Talente einzelner Menschen, egal ob krimineller oder guter Art, mit gleichzeitiger Ausschaltung der eigenen Persönlichkeit, Identität ausgenutzt werden. Kinder bzw. Jugendliche verschwinden und den Eltern wird glaubhaft gemacht, dass sie bei einem Unglück ums Leben gekommen sind. Das gibt den Wissenschaftlern Ruhe und Zeit, ihre Experimente durchführen zu können, indem sie mikrokleine Chips implantieren und die Jugendlichen frei von eigenem Willen und Tun fernsteuern können. Boy Seven scheint einen Ausbruch aus diesem Wahnsinn geschafft zu haben. Aber das bringt ihn erst einmal nicht weiter. Wie auch, wenn man nicht weiß, wer man ist, woher man kommt und wem man trauen kann. Diese Angst, Zweifel und Vorsicht ist bei ihm aber offensichtlich nicht ganz verschüttet, denn er ist dem jungen Mädchen Lara gegenüber misstrauisch, auch wenn er sie zunächst sehr sympathisch findet und sie ihn auf seiner Spurensuche begleitet. Mirjam Mous gelingt eine logische Verknüpfung der losen Anhaltspunkte, die Boy Seven in seinem Rucksack findet und damit eine Reise in seine spektakuläre Vergangenheit antritt, die in fünf Buchabschnitten unterteilt ist. Als Boy Seven ein Notizbuch findet, bekommt er aufschlussreiche Informationen, was mit ihm und anderen Jungen passiert ist. Die Eintragungen aus der Vergangenheit werden geschickt mit den Erlebnissen der Gegenwart verbunden. Die Tatsache, dass sie ja eine Art Tagebuch darstellen aber nicht ausschließlich in der reinen Ich- sondern ebenfalls in Dialogform erzählt werden, wirkt ein wenig merkwürdig und unrealistisch, auch wenn es sich natürlich flüssig lesen lässt. Die Spurensuche ist in fünf Abschnitten interessant aufgebaut. Nachdem Boy Seven alle Puzzlesteine zusammengetragen hat, unterzieht er sich einem mutigen Eingriff, weil er damit hofft, seine eigene Identität, Unabhängigkeit und vor allem auch Erinnerungen wiederzuerlangen. Mit einem spannungsreichen Höhenpunkt kommen alle Erzählstränge aus Vergangenheit und Gegenwart wieder zu einem Punkt zusammen. Auch wenn das Abenteuer eine Art „Happy End“ hat, bleibt ein mulmiges Gefühl zurück, denn die Machenschaften der Wissenschaftler, Politik und dem komplexen Machtsystem dahinter haben leider kein Ende gefunden. Wenn man sich beim Lesen gefragt hat, warum nur Jungens diesen Experimenten unterzogen werden, erhält man am Schluss, fünf Jahre später in der Geschichte, eine Antwort, die alles andere als beruhigend ist. Mirjam Mous hat mit dieser Geschichte über Manipulation, Löschung oder Verfälschung nicht gewollter Gedanken und Persönlichkeitsstrukturen Orwells Klassiker „1984“ in die heutige Zeit transportiert und weiterentwickelt. Es bleibt die Hoffnung, dass diese Experimente der ferngesteuerten Persönlichkeiten reine Science-Fiction bleiben, doch wenn man den heutigen gläsernen Menschen kennt, zeigt dieser Zukunftsthriller eine provokante, beklemmende Vision der Zukunft.
Sabine Hoß
Bewertung: