Rachel Ward
„Numbers – Den Tod im Blick“
Chicken House 2010
364 Seiten, € 13,95
Ab 12 Jahre
Inhalt:
Nachdem Jem im Alter von sieben Jahren den Tod ihrer Mutter durch eine Überdosis Heroin erlebt hat, wird sie von einer Pflegefamilie zur nächsten geschoben. Jem fühlt sich „wie ein Korken auf dem Wasser von einer Welle zur nächsten treibend“. Seit dem Tod ihrer Mutter belastet sie zudem die Tatsache, dass sie in den Augen ihres Gegenübers Zahlen sieht. Es sind nicht irgendwelche Zahlen, sondern das Datum des Todestages der betreffenden Person. Mit dieser Last wächst Jem die nächsten Jahre auf und versucht sie, so gut es geht, zu übersehen, was ihr natürlich nicht gelingt. In der Schule versucht Jem sich allen Demütigungen der Lehrers und Schüler zu entziehen. Spinne, ein dunkelhäutiger Klassenkamerad, hängt oft und gerne mit Jem nach der Schule ab. Mit Witz und Hartnäckigkeit gelingt es ihm sich Jem zu nähern, auch wenn sie sich dagegen sträubt. Als die beiden verdächtigt werden das London Eye in die Luft gesprengt zu haben beginnt für sie eine rasante und abenteuerliche Flucht vor der Polizei. Jem muss lernen, Gefühle zuzulassen und Spinne zu vertrauen.
Rezension:
Jem hat eine Gabe, die unheimlich anmutet: Sie kann in den Augen ihres Gegenübers das Sterbedatum sehen. Das ist vermutlich das Ergebnis des traumatischen Erlebnisses, ihre Mutter mit sieben Jahren mit einer tödlichen Überdosis Heron gefunden zu haben. Danach wird Jem von einer Pflegefamilie zur anderen gereicht. Niemanden erzählt sie von ihrer seherischen Gabe, zu sehr hat sie Angst davor, dass keiner sie ernst nimmt und Angst macht ihr auch die Tatsache ihrer Voraussagungen. Während Jem zunächst keine Gefühle offenbaren kann und will, wird sie von Spinnes Dynamik überrollt. Jem zeigt alle Facetten von spröder Abneigung bis zärtlicher Sanftheit. Spinne ist oft unbeholfen in seiner Art und verschreckt durch seine offensive Art die zurückhaltende Jem, die mit Ruppigkeit versucht ihre Empfindungen zu überspielen. Beide müssen lernen, einander zu vertrauen und Gefühle offen zu zeigen. Die hervorragend ausgearbeiteten Charaktere offenbaren Einsamkeit und Zerrissenheit aus verschiedenen Blickwinkeln. Rachel Ward gelingt eine Geschichte, die eine Mischung aus Phantasie und Science-Fiction ist, in einer authentischen Sprache, die nie flach wirkt und mit einem hohen Spannungsbogen aufgebaut ist, der bis zur letzten Seite anhält. Es ist kein Buch, dass kitschige Gefühle oder Situationen zeigt, wohl aber eine wunderbar durchdachte Entwicklung von der stumpfen Introvertiertheit einer 15-jährigen zu einer emotional gereiften, klugen und jungen Frau.
Sabine Hoß
Bewertung: