Charlotte Kerner
Beltz & Gelberg, September 2011
216 Seiten, € 14,95
ab 13 Jahre
Inhalt:
Tanja Jane Klark ist eine junge Forscherin, die nach langen Diskussionen mit ihrer Mutter und Großmutter endlich das geheimnisvolle Laos-Labor ihres Vaters besucht. Diskussionen gibt es zwischen den drei Frauen unterschiedlicher Generationen nicht nur über ihre unterschiedliche Auffassung von genetischer Forschung und das Bewahren und Schützen von Tier und Natur. Wie ihre Großmutter hat Tanja Jane Paläoanthropologie studiert, während ihre Mutter eine Aktivistin im „Great Ape Project“ und „Animal Watch“ gewesen ist. Im Laos-Labor ihres Vaters trifft Jane auf ein Genforschungsprojekt, das nicht nur Mammuts zum Leben wiedererweckt, sondern auch den Homo erectus, der aufrechte Mensch, der vor 2 Millionen bis 400.000 Jahren gelebt hat. In einem Gebiet, das in drei Zonen abgesteckt ist, kann sich diese Gruppe frei bewegen, dabei ist nur in einer Zone eine direkte Begegnung mit dem Homo sapiens der Gegenwart möglich. Jane begegnet hier dem jungen Homo erectus Jamie, dem sie nicht nur diesen Namen gegeben hat, sondern auch intensiv mit ihm kommuniziert und ihn beobachtet. Dabei nähern sich die beiden Hominiden trotz der so unterschiedlichen Entstehungs- und Entwicklungszeit auf faszinierende und spektakuläre Weise an.
Rezension:
Charlotte Kerner ist bekannt für sehr fundiert recherchierte wissenschaftliche Themen. Das Thema Gen-Technologie hat sie in der Vergangenheit bereits in den zwei herausragenden Romanen „Geboren 1999“ und „Blueprint“ (Deutscher Jugendliteraturpreis 2000) (beide Beltz & Gelberg) hervorragend in eine fesselnde Geschichte verpackt. In ihrem neuen Buch setzt sie die Story in der Zukunft an und geht gleichzeitig thematisch in die Vergangenheit zurück, verbunden mit der Frage, wo wir herkommen und wie sich unsere Menschheit in 1.000, 10.000 und mehr Jahren entwickeln wird. Es liegt sicher nicht am Thema, dass der Funke nicht überspringt. Vielleicht liegt es daran, dass Charlotte Kerner zu viele Themen nur anreißt, statt sie mit Leben und Tiefe zu füllen. Da ist einerseits die Beziehungsproblematik der drei Jane-Generationen von Großmutter, Mutter und Tochter. Alle drei beschäftigen sich beruflich und wissenschaftlich mit der Entstehungsgeschichte der Menschheit, der Tiere und der Natur. Jedoch aus ganz unterschiedlichen Ansätzen und Motiven, daher ist hier eine deutliche Spannung nur verständlich. Doch die scheinbar gewitzte Aufstellung von Jane 1 bis Jane Nr. 5, der Protagonistin Jane reloaded, ermüdet mit ständigen Wiederholungen. So sehr sich die Autorin hier um die Entwicklungsgeschichte der Frau an sich durch mehrere Generationen hinweg bemüht und die besondere Beziehung von Großmutter, Mutter und Tochter verknüpft, so merkwürdig stumpf und unnahbar bleiben letztendlich diese Charaktere. Janes Vater, der eine nicht unwesentliche Rolle als Forscher bezieht, erhält ebenfalls keine wirkliche Kontur. Eigentlich will Charlotte Kerner mit der erwähnten und einfließenden „Tarzan-Geschichte“ kokettieren, welches auch noch das Lieblingsbuch von Jane reloaded ist. Doch es bleibt nicht bei der scherzhaften Annäherung. Im Beziehungs- und Kommunikationsverlauf von Jane und ihrem Homo erectus Jamie hat man leider immer öfter das Gefühl nicht nur auf der Sprachebene von „Du Jamie – ich Jane“ gelandet zu sein. Darüber hinaus ist der Schreibstil sehr starr und
hölzern und die häufig wechselnden Zeit- und Erzählebenen sind hier kein raffiniertes Stilelement, sondern verwirren nur noch mehr. Bei aller Begeisterung für Paläoanthropologie und Evolutionsgeschichte werden auf engem Raum einfach zu viele wissenschaftliche Abhandlungen und verschiedene Entwicklungsstadien zusammengewürfelt, was leider staubtrocken wirkt und nicht durch eine spannende Rahmenhandlung aufgefangen wird. Man hat oft eher das Gefühl ein naturwissenschaftliches Lehrwerk in der Hand zu haben anstatt ein Buch, das Jugendliche einen faszinierenden Zugang zur Geschichte der Menschheit eröffnen soll. Mit der Aussicht, dass der Homo sapiens den Homo erectus eigentlich gezüchtet hat,
um ihn zu beobachten, er sich aber auf ungewohnte und schnelle Weise dem Homo sapiens nähert, eröffnet Charlotte Kerner eine visionäre Debatte. Sie bemüht sich in ihrem Buch unterschiedliche Sichtweisen und Ansätze in den verschiedenen (GEN-) Forschungsbereichen gegenüberzustellen, ohne für eine bestimmte Seite Partei zu ergreifen. Doch auch das ist nur bedingt gelungen, dafür ist die Thematik doch zu komplex – und das Buch zu dünn.
Am Ende gibt es ein ausführliches Glossar, in dem einige, nicht gängige Fachbegriffe kurz und klar erklärt werden. Der Verlag verspricht mit diesem Buch ein spannendes und verstörendes Szenario. Die Spannung bleibt leider sehr verhalten, verstörend ist es, auf seine Weise. Insgesamt ein sicher fundiert recherchiertes Buch mit einem grundsätzlich sehr interessanten Thema, das aber mit unnahbaren Charakteren, einer sperrigen Sprache und mit zu viel wissenschaftlichen Abhandlungen, angerissenen Evolutionsentwicklungen und einer fehlenden Rahmenhandlung behäbig wirkt. Charlotte Kerner kann genau dies ganz anders und besser, das hat sie schon mehrfach und erfolgreich bewiesen.
Sabine Hoß
Bewertung: