Rafik Schami
Mit Schwarz-Weiß-Illustrationen von Kathrin Schärer
Hanser, Februar 2012
192 Seiten, € 12,90
ab 8 Jahre
Inhalt:
Die kleine Nina entdeckt zwischen viel Gerümpel eine alte Puppe auf dem Flohmarkt. Sie schließt sie auf den ersten Blick in ihr Herz, denn sie sprechen eine gemeinsame Sprache, die die Erwachsenen weder hören noch verstehen. Nina tauft die Puppe auf den Namen „Widu“ und ab sofort ist sie eine treue Begleiterin im Alltag. Dieser Alltag ist gerade nicht so ganz einfach für Nina, denn sie ist umgezogen und fühlt sich recht einsam in der neuen Umgebung und Schule, fern von all ihren alten Freunden und Freundinnen. Da ist Widu eine große Stütze für Nina, denn sie kann nicht nur sprechen und verrückte Sachen machen, wie beispielsweise auf den Ninas Zehen Fußflöte spielen, sie zaubert auch alle Ängste weg, wenn man sie feste drückt. Widu spricht nicht nur Ninas Sprache, sie kann sich auch mit allen anderen Kuscheltieren unterhalten, die ihr gegenüber zunächst noch etwas reserviert sind. Doch schnell hat Widu sie mit ihrer freundlichen Herzlichkeit überzeugt und so haben sie alle so viel Spaß wie schon lange nicht mehr. Für Nina ist Widu mit ihrem ganz eigenen Charme und Witz ein wichtiger Begleiter und Berater in den ihren Alltagserlebnissen, sei es beim Zahnarzt, auf der Suche nach einem neuen Freund oder Freundin. Widu unterhält sich mit Nina auf leichte philosophische Weise über Ängste, Sorgen und Traurigkeit. Doch auch Widu ist manchmal traurig, denn als Puppe hat man kein Herz, damit unterscheidet sie sich von den Menschen, aber noch nie hat sich Widu so sehr einem Menschen so nahe gefühlt wie Nina. Als das kleine Mädchen sehr krank wird, muss sich Widu entscheiden, ob wahre und tiefe Liebe ohne Herz funktionieren kann.
Rezension:
Rafik Schami ist als preisgekrönter Wortzauberer und Geschichtenerzähler für Erwachsene bekannt. Weniger bekannt ist, dass er auch ebenso wunderbare Bücher für Kinder schreiben kann, was dieses Buch zweifelsohne beweist. „Das Herz der Puppe“ ist eine ruhige Geschichte, die von ganz alltäglichen Erlebnissen, Ängsten, Sorgen und Träume eines kleines Mädchen im Grundschulalter handeln. Sie entdeckt die Puppe durch einen Zufall auf dem Trödelmarkt und gibt ihr den vielsagenden Namen „Widu“, hergeleitet von „wie Du“, das eine geschickte Synthese darstellt. Eine Lieblingspuppe oder Kuscheltier hat für Kinder einen natürlichen, tröstenden Charakter. So kann auch Widu Ninas Ängste wegdrücken, was Rafik Schami ohne übertriebenen Pathos beschreibt. Die gemeinsame Sprache, die Nina und Widu haben, die Erwachsene weder hören noch verstehen, ist ein abgeschautes und nachvollziehbares Element aus dem Reich der Kindheit. Philosophisch, aber stets auf Augenhöhe eines Kindes, ist Widu nicht nur eine hervorragende Unterhalterin und Spaßmacherin, sie spricht auch ernste Themen weise aber niemals belehrend an. Es sind ganz alltägliche Geschichten die Nina erlebt, in denen der Autor die Erwachsenen mit einer feinen hintergründigen Ironie wiederspiegelt, ohne sie bloßzustellen. Die Tatsache, dass nicht nur Nina Ängste und Sorgen hat, sondern auch Widu, macht die Puppe nicht nur menschlich sondern ganz besonders. Es ist für Puppen nicht angedacht, ein Herz zu besitzen, denn damit würden sie den Menschen sehr ähnlich, was nicht gewollt ist. Denn sie sind immer nur in einem überschaubaren Zeitrahmen ein Spielkamerad und Begleitung für Kinder und werden daher nie alt. Geht das Kind in das Reich der Erwachsenen, bleibt die Lieblingspuppe oder das Kuscheltier als Erinnerung unbeachtet auf dem Dachboden zurück. Auch Nina überlegt, ob es auch bei ihr so enden wird und Widu merkt, dass diese Beziehung ganz besonders und anders ist wie bei allen übrigen Kindern. Als Nina sehr krank wird, ist Widu ihr Rettungsanker und die Puppe muss sich entscheiden, ob wahre und tiefe Liebe funktioniert, ohne Herz zu zeigen. Widu ist springt über ihren Schatten und Nina verspricht, ein Leben lang in ihrem Herzen ein Kind zu bleiben; damit offen und begeisterungsfähig für so viele Kleinigkeiten, die man als Erwachsener normalerweise achtlos beiseite schiebt.
„Das Herz der Puppe“ erzählt von vielen alltäglichen Situationen und Erlebnissen eines Kindes, einer tiefen Beziehung zu einer Puppe, die humorvoll, klug und auf kindgerechte Weise philosophisch eine beratende Freundin ist – und uns Erwachsene wieder die Sprache der Puppen hören und verstehen lässt. Ein Buch, das sich zum Vorlesen genauso hervorragend eignet wie zum Selberlesen.
Die schönen schwarz-weiß Illustrationen von Kathrin Schärer und ein stimmiges Cover ergänzen perfekt die Erzählung.
Sabine Hoß
Bewertung:
Ein Interview mit dem Autor findet Ihr hier: