Sandersommer

Helga Gutowski

rowohlt, Mai 2013

144 Seiten, € 9,99

ab 6 Jahre

 

 

 

Inhalt:

Jette freut sich: Noch hundertzwanzig mal schlafen, hat Papa gesagt, dann kann sie endlich in die Schule gehen. Im Kindergarten langweilt sie sich, denn sie kann schon ein wenig lesen und schreiben. Und dann gibt es noch etwas, worüber sie sich sehr freut: Ihr kleiner Cousin oder ihre kleine Cousine soll bald geboren werden. Obwohl es noch viel zu früh ist, drängt der kleine Sander sich auf die Welt. Doch er scheint ein kleiner Kämpfer zu sein, denn er darf bald nach Hause. Während Tante Greta im Krankenhaus liegt, kümmert sich Jettes Mutter liebevoll um ihre Schwester und Papa im Wechsel mit Oma Kurt um Jette. Bei Papa darf Jette Sachen machen, die sie sonst nie darf: Nutellabrote mit in den Kindergarten nehmen, ein Schlafanzugoberteil statt eines Pullovers anziehen und sogar alleine den Weg zum Kindergarten gehen. Mit Oma Kurt geht sie oft zu den Gräbern ihres Opas und Omas Schwester auf dem nahen Friedhof. Der kleine Sander kommt nach Hause und alle sind stolz auf den kleinen Cousin, Enkel oder Neffen. Doch plötzlich wird er von einem auf den anderen Tag sehr krank und stirbt. Die ganze Familie versinkt in tiefe Trauer und Hilflosigkeit. Auch Jette weint, ist gleichzeitig aber wütend und stellt fest, dass jeder auf seine ganz eigene Weise traurig ist. Und so ein kleines bisschen hat sie auch ein schlechtes Gewissen, denn neben all der Trauer freut sie sich auf die bevorstehende Schulzeit mit all den wichtigen Terminen wie dem Schultütenprojekt, dem Besuch in der Bibliothek, das Üben des Schulwegs mit dem Verkehrspolizisten und dem Schnuppertag in der Schule. Sanders Beerdigung ist für die ganze Familie ein schwerer Tag. Jettes Kindergartengruppe kommt überraschend dazu und macht die Verabschiedung zu einem ganz besonderen, festlichen Moment. Behutsam und kindgerecht wird Jette klar: Tod und Leben gehören zusammen und das Leben im hier und jetzt geht trotz aller Traurigkeit weiter.

Rezension:

Die Themen Tod und Sterben sind nach wie vor schwierige Themen, die Erwachsene gerne verdrängen und nicht darüber reden wollen. Doch sie gehören zum Leben und sind immer wieder, auch für kleinere Kinder, präsent. Helga Gutowski hat am Beispiel von Jette die vielen kleinen und großen Schritte in Richtung Selbstständigkeit vom Kindergarten- zum Schulkind wunderbar beschrieben. Amüsant werden die unterschiedlichen Prioritäten der Erwachsenen gespiegelt. Während ein Nutellabrot als Frühstück im Kindergarten bei Jettes Mutter undenkbar ist, hat der Vater damit überhaupt kein Problem, wie auch ein Schlafanzugoberteil als Alternative zum normalen Pullover durchaus modisch ist. Er ist es auch, der Jette Mut zuspricht, den Kindergartenweg als baldiges Schulkind einmal alleine zu gehen. Wie ein roter Faden begleitet die Katze Miralda Jette und die Erwachsenen durch die Geschichte und sucht sich am Ende eine ganz besondere und schöne Aufgabe aus, für die sie aber die offizielle Erlaubnis der Friedhofsverwaltung benötigt. Ein wohl augenzwinkernder Hinweis hinsichtlich unserer manchmal unglaublichen Bürokratie.

In diesem Entwicklungsprozess wird Jette mit dem plötzlichen Tod des zu früh geborenen aber eigentlich für stabil gehaltenen kleinen Sander konfrontiert. In einer knappen, klaren Sprache, die einfühlsam aber ohne Sentimentalität die Ängste und Fragen von Jette beschreiben, spricht die Autorin die Kinder auf Augenhöhe an. In vielen kleinen Szenen zeigt sie unkompliziert, auf welch unterschiedliche Weisen Menschen trauern, ohne sie jedoch zu überzeichnen. Trauer, Wut, Rat- und Hilflosigkeit, all das gehört dazu, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist. Man soll und muss diese Gefühle zulassen, nur dann kann es einen Abschied und irgendwann vielleicht auch einen Abschluss geben. Wobei ein Abschluss nicht bedeutet, den verstorbenen Menschen zu vergessen sondern ihn mit schönen Erinnerungen im Gedächtnis zu halten. Auch das zeigt dieses Buch, für Klein und Groß verständlich.

Es ist für die Geschichte im Grunde unwichtig wichtig und es wird beim Lesen oder Vorlesen vielleicht nicht jedem Erwachsenen (oder KInd) unbedingt auffallen – aber die Eltern des kleinen Sander sind nicht im klassischen Sinne Frau und Mann sondern zwei Frauen: Greta und Ruth. Bemerkenswert, mutig und zeitgemäß von der Autorin, diese Paarkonstellation zu wählen;  sie dabei sensibel im Hintergrund und nicht exotisch darzustellen, sondern wie eine „normale“ Mann-Frau-Beziehung.

Sabine Hoß

Bewertung:

Ein Interview mit der Autorin findet Ihr hier:

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