Die Schattenbande legt los!

Die Schattenbande legt los

Frank M. Reifenberg / Gina Mayer

Illustrationen von Gerda Raidt

bloomoon, Januar 2014

240 Seiten, € 12,99

ab 10 Jahre

 

Berlin in den 1920er Jahren. Klara Schlapp, Otto Karwuttke, Paule Kowalski und seine kleine Schwester Lina, die eigentlich gar nicht so klein ist, bilden sind die Schattenbande. „Wir sind die Schatten, schnell und schlau, keiner sieht sie je genau“ lautet ihr selbst gewähltes Motto, nachdem es ihnen gemeinsam gelungen ist, aus einem Waisenhaus auszubrechen. Seitdem leben sie versteckt in einer alten Schreinerei und verdienen ihren Lebensunterhalt mit Diebstählen. Klara ist von allen die raffinierteste Taschendiebin während Otto der kluge Stratege und ein talentierter Fassadenkletterer ist. Paule ist der Erfinder der Gruppe und kein Schloss ist vor ihm sicher. Lina, das jüngste Mitglied der Schattenbande, die das aber gar nicht so gerne hört, hat in vielen gefährlichen Situationen den siebten Sinn und rettet mit ihrer unbeirrbaren Intuition die anderen oft genug aus der Patsche.

Als Klara bei einem Diebeszug ausgerechnet in eine Falle des Wachtmeisters Eltinger gerät, gerät sie auf ihrer Flucht durch eine zufällig geöffnete Tür in ein merkwürdiges Kabinett, dem Hinterraum eines Varietétheaters. Hier trifft sie auf ein mysteriöses Wesen namens Oscuro und einer Wahrsagerin, die eher wie eine strenge Lehrerin ausschaut und sie mit den geheimnisvollen Worten „Raum 56“ wieder auf die Straße entlässt. Zur gleichen Zeit gerät auch Otto in eine mehr als verzwickte Situation. Der berühmte Berliner Reporter Billy Barrakuda, mit denm die Schattenbande manchmal Informationen austauscht, bittet Otto alleine in der Pension der Witwe Botts zu erscheinen, da er seine Hilfe benötigt. Als Otto zur gewünschten Zeit dort erscheint, findet er in einem Zimmer eine übel niedergeschlagene ältere Dame. Ihre letzten Worte sind für Otto ein völliges Rätsel, doch bevor er weiter darüber nachdenken kann, wird er von der Polizei verhaftet, die ihn für den Mörder halten. Die drei anderen Schattenbandmitglieder beobachten, wie die Polizei Otto verhaftet und ins Gefängnis bringt. Für Klara, Paule und Lina ist klar, dass sie Otto befreien wollen und Paule hat auch schon eine geniale Idee. Die Schattenbande ahnt nicht, in welche gefährliche Machenschaften sie da gerade hineingerutscht ist. Sie geraten in ein spannendes Abenteuer, bei dem sie auf einen kleinen Grafen treffen, eine Séance erleben, ausgerechnet ein Zahnarzt ihnen etwas über gewisse Tränen der Zarin erzählt und eine spezielle Gurkensuppe eine ganz besondere Rolle spielt.

Eine Bande, die aus zwei Mädchen und zwei Jungs besteht, ist eine solide Grundlage und nahezu Garant für eine gelungene Kindergeschichte, wie die erfolgreichen Reihen Fünf Freunde, TKKG oder die Karottenbande zeigen. Das sind alles Bandengeschichten, die mehr oder weniger in der Gegenwart spielen. Setzt man dies nun in die  Epoche der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts denkt man unweigerlich an Erich Kästner, dessen Kindergeschichten in den 1930er Jahren in Berlin spielen. Es scheint gewagt zu sein, heute eine Bandengeschichte in diese, für uns weit vergangene Zeit zu setzen und gleichzeitig den großartigen Kästner als Äquivalent zu haben, die Gefahr einer bemühten Kopie ist gegeben.

Die beiden bekannten Autoren Frank M. Reifenberg und Gina Mayer sind sich wohl dessen bewusst gewesen und haben es bravurös gemeistert, alles andere als eine Imitation zu präsentieren. Der Erzählstil erinnert durchaus an die erwähnte Kinderliteratur, wobei jedoch mit der Kombination von fantastischen, magischen Elementen und skurrilen Facetten neue, eigene Akzente gesetzt werden.

Die Schattenbande sind vier gewitzte, pfiffige Kinder, die, jedes mit eigenen Fähigkeiten und liebevollem Charme, ihr auf sich gestelltes Leben als Waisen meistern. Das alles andere als rosige Berlin der 1920er Jahren erscheint plastisch vor Augen und man rutscht atmosphärisch nahezu in diese Zeit hinein. Temporeich baut das Autoren-Duo eine fesselnde Geschichte auf, die in abwechselnden Kapiteln zwei parallel laufende Erzählstränge gekonnt zusammen fließen lässt. Dabei vergessen sie nicht, auch politische und gesellschaftliche Zustände der damaligen Zeit mit Sozialkritik einzubinden. Diese Kombination, die für Kinder verständlich nachvollziehbar beschrieben ist, schafft es, das Berlin dieser Epoche so lebendig zu machen.

Das von der ersten bis zur letzten Seite spannende Abenteuer, das man ungern aus der Hand legt und sich auch zum Vorlesen hervorragend eignet, besticht nicht durch effektheischende gewalttätige Szenen, sondern durch Cleverness und den tiefen Zusammenhalt der Schattenbande, der aus Vertrauen, Freundschaft ohne Wenn und Aber sowie Mut geschaffen ist. Werte, die eigentlich selbstverständlich sind, aber in unserer Gesellschaft immer wieder vor Herausforderungen stehen.

Auch wenn ich persönlich kein großer Freund von Bücherreihen bin, hier freue ich mich auf die Fortsetzung und bin gespannt auf ein neues Abenteuer der Vier aus Berlin.

Im Schatten der Kinderbücher von Erich Kästner muss „Die „Schattenbande“ sich nun wahrlich nicht verstecken, dafür hat das Duo Reifenberg/Mayer eine überzeugende eigene Interpretation einer Bandengeschichte in einer ungewöhnlichen Zeitepoche vorgelegt.

Die gewitzten Illustrationen von Gerda Raidt sind perfekt und passen absolut rund zu den Charakteren und Geschichte. (Bis auf einen kleinen Fehler auf Seite 132/133. 😉 )

Noch vor dem offiziellen Erscheinungstermin Januar 2014 stand (auch) dieses Buch aus Deutschland bereits Anfang Dezember 2013 auf der Shortlist des Deutsch-Französischen Jugendpreises. (Einen Artikel findet man hierzu auf dieser Seite.)

Man darf gespannt sein, auf welchen Nominierungslisten dieses Buch hierzulande noch finden wird.

Sabine Hoß

Bewertung:

 

 

 

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