Bettina Belitz
Thienemann, August 2010
304 Seiten, € 12,95
ab 12 Jahren
Inhalt:
Josh ist es gewohnt ständig von seinem älteren Bruder Micha gedemütigt und gehänselt zu werden. Auf dem Schulweg, in der Schule oder auch zu Hause, Micha lässt keine Gelegenheit ungenutzt, um Josh zu ärgern. Nur selten bekommen davon die Eltern etwas mit, zu sehr sind sie mit sich selbst und ihrer Arbeit beschäftigt. Micha ist der Kernige, der Sportler, der bei seinen Mitschülern weniger durch gute Schulleistungen dafür mehr durch freche Sprüche und Handlungen Ansehen erreicht. Da hat es der schüchterne und zierliche Josh umso schwerer, spielt er zudem auch noch Cello, was ihm weitere Lästereien einbringt. Als in der Schule beim Sportschwerpunkt neben Klettern auch Voltigieren angeboten wird, gibt es für Josh, der unter Höhenangst leidet, überhaupt keine Frage der Entscheidung. Doch die Gymnastik auf Pferden ist ein weiterer Punkt, der für qualvolle Hänseleien sorgt. Und da ist noch Eva, die ebenfalls in seiner Gruppe ist und sich ziemlich merkwürdig benimmt, mal abweisend, dann nimmt sie Josh sogar in Schutz. Sobald Josh sich auf einem Pferderücken bewegt, fällt aller Ballast von ihm ab und er vergisst alles um sich herum. Wird er es schaffen, gegen alle Widrigkeiten trotzend sein Talent bei einem öffentlichen Turnier zu präsentieren?
Rezension:
Pferdebücher gibt es seit Generationen, meist sind sie thematisch ziemlich gleich geschrieben und gehören eigentlich überhaupt nicht zu meinen Lesefavoriten. Bettina Belitz hat es aber geschafft, diesem angestaubten Genre ein modernes, neues Gesicht zu geben. So ist in dieser Geschichte endlich einmal kein Mädchen der Protagonist sondern ein Junge.
Ein Junge, der es nicht einfach hat. In der Schule ist Josh ein Außenseiter, nicht zuletzt weil er durch seinen Bruder ständig geärgert und gedemütigt wird. Doch er ist schon abgestumpft und lässt alles stoisch über sich ergehen. Als Josh zum ersten Mal mit einem Pferd in Berührung kommt, löst das etwas in ihm aus, was er zunächst noch nicht benennen kann. Schnell stellt sich heraus, dass er ein seltenes und außergewöhnliches Talent beim Voltigieren ist. In einer authentischen Jugendsprache, die aber nie flach wirkt, beschreibt die Autorin einfühlsam und prägnant die Charaktere und porträtiert hervorragend das Familienleben der Eltern samt Tante Charlotte, die eine ganz eigene, sympathische Type ist. Die Entwicklung vom schüchternen und zaghaften Joshua zu einem selbstbewussten Teenager, der über sich selbst hinauswächst und trotzdem auf dem Boden, bzw. Pferderücken bleibt, ist dramaturgisch wunderbar und spannend aufgebaut. Man kann unaufdringlich aber nachhaltig spüren, wie sich die Kraft des Pferdes auf Joshua überträgt und ihm zu mehr Sicherheit und Selbstbewusstsein verhilft. Zum ersten Mal weiß Joshua, was er will, was für ihn wichtig ist und das er dafür kämpfen muss. Denn Cello spielen mag er zwar auch, aber das macht er eigentlich mehr seiner Mutter zuliebe, die natürlich bei diesem gefährlichen Sport um seine Hände und einem vorzeitigen Karriereende eines Cellisten besorgt ist. Herrlich ist die Szene, als Joshua seine Mutter beim wildem, heimlichem Gitarrenspiel im Hobbyraum ertappt und er zum ersten Mal bei einem ausführlichem Gespräch von den Träumen seiner Mutter vor dem bekannten Familienleben erfährt, was ihm zwar manches verständlicher aber nicht unbedingt einfacher macht.
Bettina Belitz ist mit „Freihändig“ die gelungene, ungewöhnliche Identitätsfindung eines männlichen Teenagers als Voltigist gelungen, verbunden mit einem hervorragend beobachteten Familienszenario und einer zarten Liebesgeschichte.
Sabine Hoß
Bewertung:
Ein Interview mit der Autorin findet Ihr hier.