Interview Janne Teller

 

 

Copyright by Morten Holtum Nielsen / Hanser Verlag

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Da Janne Teller mit Ihrem Buch „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ mit Interviewanfragen überschüttet wird, gibt es über Hanser ein standardisiertes Interview mit den meist gestellten Fragen. Diese kann man hier nachlesen:

Ihr Roman „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ wurde heftig diskutiert oder sogar verboten, hat Sie
das überrascht?

Janne Teller: „Ja, es ist schon erstaunlich, dass ein Buch heutzutage in Westeuropa derart bekämpft
werden kann. Nicht wegen brutaler oder sexistischer oder verhetzender Inhalte, sondern nur wegen
der Fragen, die es aufwirft. Es gab in verschiedenen Ländern Schwierigkeiten, nicht nur in Dänemark,
sondern auch in Frankreich und Norwegen, wo es in manchen Schulen noch immer nicht gelesen
werden darf. Die Hauptdebatte fand zwischen Lehrern, Bibliothekaren und Pädagogen statt, von
denen viele meinten, das Buch mute jungen Lesern zu viel zu.“

Werden jugendliche Leser durch das Buch überfordert?

Janne Teller: „Manche Lehrer und Bibliothekare sagen: Dieses Buch ist schädlich für junge Leser, weil
es ihnen jede positive Einstellung zum Leben raubt. Das sehe ich völlig anders, und glücklicherweise
habe ich recht. Junge Leute stellen sich alle fundamentalen Fragen ganz von allein. Es sind die
Erwachsenen, die sich unwohl fühlen, wenn an der Lackierung all dessen gekratzt wird, was wir aus
reinem Konformismus täglich mitmachen.“

Wie sind Sie auf das Thema Nihilismus für Ihr Buch gekommen?

Janne Teller: „Das war immer in meinem Kopf. Nämlich die Frage: ‚Was hat wirklich Bedeutung in
unserem Leben?‘. Das ist einfach Teil meines Denkens. Und genau diese Frage habe ich der
Hauptfigur, diesem Jungen, in den Mund gelegt.“

Sehen Sie sich selbst als Nihilistin?

Janne Teller: „Nein, überhaupt nicht. Ich finde nicht, dass mein Buch nihilistisch ist, es ist
existenzialistisch, denn es fragt nach dem Sinn des Lebens. Und am Schluss heißt es doch auch: ‚Und
ich weiß, dass man mit der Bedeutung nicht spaßen soll.‘“

Hätten die Eltern in den Handlungsverlauf der Geschichte nicht eingreifen sollen?

Janne Teller: „Das ist eine Frage, die nur Erwachsene stellen. Jugendliche bemerken die Abwesenheit
der Erwachsenen im Roman nicht einmal. Jugendliche leben nicht in solch festen Strukturen wie
Erwachsene, deswegen erschüttert sie der Roman nicht so sehr wie die Erwachsenen. Denen aber
zieht es dann beim Lesen eher den Boden unter den Füßen weg. Möglicherweise ist es ein Trauma,
die Kinder an die Gesellschaft zu verlieren. Eltern wollen ihre Kinder ja beschützen, aber diese wollen
sich auch ihre Selbstständigkeit erobern. Erwachsene sind auch deshalb nicht nötig im Roman, weil
sie eben oft lediglich die konventionellen Antworten auf wichtige Lebensfragen geben. Und dabei
haben sie letztlich dieselben Probleme wie ihre Kinder. Nur, ich sage es noch einmal, haben die den
Mut, die entscheidenden Fragen zu stellen.“

Schockiert Ihr Buch wegen der darin vorkommenden Gewalt?

Janne Teller: „Man hat so ein Gefühl, dass es die Gewalt im Buch ist, die einen schockt. Aber
tatsächlich ist es was anderes: Dir wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Aber weil man das
nicht so konkret fassen und benennen kann, deswegen sagt man lieber: Es ist halt gewalttätig.“

Janne Teller: „Was das Buch so unheimlich macht, ist die simple Sprache, mit der Agnes von diesem
beginnenden Fanatismus erzählt.“

War für Sie das Ende, nämlich der Tod der Hauptfigur Pierre Anthon, unausweichlich?

Janne Teller: „Ja, das war es. Ich habe mehrere Fassungen für das Ende geschrieben, weil ich zuerst
natürlich auch zurückgeschreckt bin, aber irgendwann war mir klar, es kann keinen anderen Schluss
geben als den Tod von Pierre Anthon. Die Kinder konnten selbst kein Ende finden, sie konnten für sich keinen Sinn finden, ohne dem Tod zu begegnen. Die Situation war so verfahren und ausweglos
und auch unerträglich.“

Ihr Roman wurde wie schon erwähnt zuerst verboten und ist jetzt an zahlreichen Schulen Lektüre.
Warum diese Entwicklung?

Janne Teller: „Die Leute haben sich zunächst nur sehr oberflächlich mit dem Buch beschäftigt. Aber
es gab auch einige Lehrer und andere Leute, die sich sehr dafür eingesetzt haben, und nach einer
Weile hat man gesehen, wie die Jugendlichen das Buch gelesen haben – endlich hat man eingesehen,
dass das Buch gerade nicht behauptet, das Leben sei sinnlos. Sondern dass das Leben ganz im
Gegenteil eine unendlich große Bedeutung hat. Die Frage ist nur, welche?“

Überrascht Sie der enorme Erfolg, den Sie heute haben?

Janne Teller: „Ja, der plötzliche Erfolg der deutschen Ausgabe hat mich sehr überrascht. Aber das
Buch hatte schon vorher ein langes Leben und wurde in viele Sprachen übersetzt. Nur verlief die
Verbreitung früher immer schrittweise – nicht so im deutschsprachigen Raum.

Was ist für Sie wichtig im Leben, was hätten Sie auf den Berg der Bedeutung gelegt?

Janne Teller: „Fühlen, denken, schreiben, hören, sehen, lernen, für etwas begeistert sein – alles, was
aus meinem Inneren kommt, ist für mich wichtig im Leben. Aber vielleicht würde ich auf den Berg der
Bedeutung heute auch mein Buch legen, denn es hat meine Sicht auf das Leben völlig verändert.“

Das Foto wurde freundlicherweise vom Hanser Verlag zur Verfügung gestellt.

Copyright des Fotos liegt bei Morten Holtum Nielsen

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