Interview mit Kerstin Gier

Kerstin Gier lebt seit 1995 von Ihren Büchern und  haben seitdem über 30 geschrieben.

Ihre Durchbruch hatten Sie 2006 mit „Für jede Lösung ein Problem“ (Bastei Lübbe), das interessanterweise zunächst im Internet gut verkauft wurde und erst danach der stationäre Buchhandel folgte. Es gibt daneben aber auch viele andere erfolgreiche Bücher, wie  „Die Mütter Mafia“, „Männer und andere Katastrophen“ oder „Auf der anderen Seite ist das Gras viel Grüner“ (alle Bastei-Lübbe).

Ihre Vielseitigkeit zeigten Sie dann mit dem ersten Band der Zeitreise-Trilogie „Liebe geht durch alle Zeiten“ (Rubinrot, Saphirblau & Smaragdgrün, Arena). Diese Bücher wurden ein weltweiter Erfolg und fürs Kino verfilmt.

Kerstin Gier (Foto (c) Ricarda Ohligschläger)

Kerstin Gier (Foto (c) Ricarda Ohligschläger)

Vor kurzem ist der erste Band „Silber“, der neuen Traumtrilogie erschienen, der ebenfalls begeistert von den Lesern aufgenommen wurde.

Frau Gier, befreit so ein großer, langanhaltender Erfolg oder hemmt der Druck eher, der von den Erwartungen der Verlage und Leser kommt?

Kerstin Gier:

Der Erfolg ist wunderbar, und ich freue mich jeden Tag darüber. Natürlich ist damit auch der Druck größer geworden, aber ich gehöre zu den Menschen, die unter Druck besser arbeiten können.

Wie gehen Sie mit diesem Druck, den Erwartungen um

Fällt es Ihnen eher schwer oder leicht, eine Distanz dazu herzustellen?

Kerstin Gier:

Vor und nach dem Schreiben leide ich unter schrecklicher Angst, dass den Lesern mein Buch dieses Mal womöglich nicht gefallen könnte, aber während des Schreibens hört das glücklicherweise auf. Da bin ich ganz vertieft in meine Geschichte, schwer verliebt in meine Figuren und ausschließlich damit beschäftigt, wie besessen meine Handlung ineinander zu weben. Und tief in meinem Inneren davon überzeugt, dass alle anderen diese Geschichte auch lieben werden. Erst, wenn das Manuskript abgegeben ist, kommt auch die Unsicherheit zurück. Und die Angst.

Haben Sie eigentlich Zeit und Muße Ihren Erfolg in Ruhe zu genießen?

Kerstin Gier:

Mir geht es wie vielen berufstätigen Müttern: Ich habe immer zu wenig Zeit. Und gerade Muße bleibt dabei oft auf der Strecke. Aber ich versuche, mir das Motto des Mütter-Mafia-Buches zu eigen zu machen und täglich den Alltag zu feiern – wenigstens ein bisschen.

Wenn Sie auf die Zeit vor den großen Bucherfolgen zurückblicken, welche drei Dinge haben sich zum Positiven, welche zum Negativen verändert?

Kerstin Gier:

Ich glaube, diese Frage kann ich nicht beantworten. Der Erfolg hat ja keine Zäsur in meinem Leben gesetzt , er kam ganz schleichend und gemütlich. Und ich bin so oder so in dieser Zeit älter und weiser geworden 🙂

Sie haben früher auch unter Pseudonym geschrieben (Jule Brand, Bastei Lübbe 1996-2000, Sophie Bérard). Einige andere erfolgreiche Autoren, wie z.B. Joanne K. Rowling, bedienen sich nach ihrem Durchbruch ebenfalls diesem Kniff.

Worin besteht der Reiz Ihrer Meinung nach und ist es immer eine gute Idee?

Werden auch Sie wieder einmal ein Buch unter Pseudonym schreiben?

Kerstin Gier:

Die Pseudonyme stammen noch aus der Zeit, in der ich zwei bis vier Bücher im Jahr geschrieben habe (keine Ahnung, wie ich das gemacht habe!), und bei so vielen Publikationen ist es schon sinnvoll, Pseudonyme zu generieren, schon um den Leser nicht zu überfordern.  Sophie Bérard hat so eine Art Love & Landscape-Romane geschrieben, Jule Brand freche Romane für Mädchen und junge Frauen. Ich finde, Pseudonyme durchaus sinnvoll für Autoren, die viel schreiben und/oder in verschiedenen Genres unterwegs sind, die meisten Kollegen gehen ja ganz offen damit um. Wenn ich irgendwann mal auf die Idee kommen sollte, etwas ganz und gar anderes zu schreiben, würde ich mir vielleicht auch noch einmal ein Pseudonym suchen. Aber im Moment reicht mir für das eine Buch im Jahr der eine Name vollkommen.

Viele Autoren schreiben immer wieder den Anfang eines neuen Buches um, bevor der „Schreibfluss“ einsetzt.

Stimmt es, dass Sie darüber hinaus gnadenlos fast fertige Manuskripte auf Ihrem PC löschen, wenn Sie das Gefühl haben, dass es „nicht gut“ ist?

Kerstin Gier:

Nein, fast fertig sind die Manuskripte, die ich lösche, nun wirklich nicht. Das erste Viertel vielleicht… manchmal…, und ich mache das nur, wenn ich merke, dass die Geschichte so, wie ich sie geplant habe, nicht funktioniert. Das ist auch noch nicht soooo oft vorgefallen, vielleicht zwei oder drei Mal. Höchstens fünf. Räusper.

Wann ist ein Manuskript für Sie „nicht gut“ sondern reif für die Tonne?

Kerstin Gier:

Wenn der Erzählton nicht stimmt und/oder der Rhythmus irgendwie hinkt, kurz, wenn die Geschichte sich anders anfühlt, als die, die ich eigentlich erzählen will – ich weiß, das hört sich verworren an, ist es vermutlich auch, aber wenn es nicht richtig anfühlt, kann ich einfach nicht weiterschreiben. Dann lieber noch mal von vorne anfangen.

Haben Sie das schon immer so gemacht oder hat sich diese Arbeitsweise erst mit den Erfolgen eingestellt?

Kerstin Gier:

Ich bin mit jedem Buch kritischer und langsamer geworden. Jetzt denke ich, NOCH langsamer und kritischer kann ich eigentlich nicht mehr werden 🙂 Hoffentlich.

Wie reagieren da die Verlage, wenn der Abgabetermin näher rückt, und Sie berichten, dass ein fast fertiges Buch gelöscht wurde?

Kerstin Gier:

🙂 Das ist ja, wie gesagt, noch nie passiert. Aber wenn sich der Abgabetermin verschiebt (und das passiert bei mir andauernd), ist das für den Verlag natürlich kompliziert, ein Buch durchläuft von der Manuskriptabgabe bis zur Auslieferung des fertigen Buches im Handel nun einmal gewisse Prozesse, Lektorat, Korrektorat, Herstellung, Auslieferung, für die normalerweise mindestens sechs Monate eingeplant werden. Um den anvisierten Erscheinungstermin einzuhalten, ist es am Ende deshalb immer für alle an diesen Prozessen Beteiligten stressig, wenn das Manuskript nur ein paar Wochen vorher abgegeben wird.

Haben Sie schon einmal im Nachhinein bereut, eine Fassung unwiderruflich vernichtet zu haben?

Kerstin Gier:

Nein. Ich bereue vielmehr, dass ich so viel Zeit darauf verschwendet habe, etwas zu schreiben, das ich nicht gebrauchen kann.

Sind Sie trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen  – eine disziplinierte Schreiberin?

Kerstin Gier:

Ich würde gerne „ja“ sagen (und für die Phasen vor dem Abgabetermin gilt das auch absolut), aber vermutlich würde es noch sehr viel disziplinierter gehen… wie in vielen anderen Bereichen auch. Seufz.

Die Vermutung liegt da nahe, dass Sie ein sehr kritischer Mensch sind. Sich selbst und Ihrer Arbeit gegenüber – auch zu anderen Menschen?

Kerstin Gier:

Ja, vermutlich. Bei anderen Menschen sehe ich aber immer sehr viel mehr das Positive. Und Macken finde ich bei anderen immer sehr liebenswert.

Gibt es für Sie Unterschiede beim Schreiben von Jugendbücher im Vergleich zu denen für Erwachsene, wenn ja, welche?

Kerstin Gier:

Wenn ich schreibe, tauche ich so tief in meine Geschichte ein, dass es wirklich gar keinen Unterschied macht. Aber wenn ich es analytisch betrachte, denke ich, in den Jugendbüchern bin ich deutlich romantischer und positiver und weniger zynisch als in den Büchern für Erwachsene. Das liegt wohl am Alter der Protagonisten.

Eigentlich sollte man meinen, dass ein Verlag, der einen grandiosen Erfolg geschenkt bekommt, den Autor hegt und pflegt. Sie sind jetzt für die neue „Silber“-Reihe aber von Arena zu Fischer gewechselt. Warum?

Kerstin Gier:

Na ja, für einen Autor sind seine Bücher wie seine Kinder und für die möchte man nur das Allerbeste. Das kann man ganz gut mit einem Kindergartenplatz vergleichen. Als „Mama“ wollte ich, dass man sich liebevoll und engagiert um meine „Kinder“ kümmert und sie maximal fördert. Also habe ich mir einen anderen Kindergarten gesucht.

Kommen wir kurz auf den ersten Band „Silber – Das erste Buch der Träume“ zu sprechen:

Wie kommt man auf die herrlich verrückte Idee mit dem „Entlebucher Biospherenkäse“, mit dem die Protagonistin Liv Silver am Londoner Flughafen bei der Einreise Probleme bekommt?

Kerstin Gier:

Keine Ahnung – die Ideen sind einfach da, wenn man sie braucht. Glücklicherweise.

Der „Tittle Tattle Blog“, auf dem der Schulklatsch von einem geheimnisvollen und geheimnisvollen unbekannten Blogger verbreitet wird – Ist das eine augenzwinkernde Antwort auf diverse social Netzwerke?

Kerstin Gier:

Der Tittle-Tattle-Blog ist einfach ein Mittel im Buch, um die Ich-Erzählperspektive etwas aufzulockern und Informationen zu transportieren, die der Leser für die Geschichte benötigt. Zusätzlich finde ich es schön, wenn alle mitraten, um wen es sich bei Secrecy wohl handelt.

Und zum Schluss für Sie die letzten drei „Bücher leben!“-Fragen:

Wann arbeiten Sie? (morgens, mittags, abends, immer)

Kerstin Gier:

Am Anfang einer Buchphase morgens. Dann morgens und nachmittags. Und in den letzten zwei Monaten IMMER, auch nachts.

Wie arbeiten Sie? (PC, per Hand, Laptop)

Kerstin Gier:

Die Plotplanung mache ich per Hand, mit vielen bunten Stiften. Das Schreiben als solches funktioniert nur direkt im Computer.

Wo arbeiten Sie? (Arbeitszimmer, Küchentisch, Baumhaus, überall)

Kerstin Gier:

Am liebsten in meinem Arbeitszimmer unterm Dach. Da ist es schön kuschelig, und die Katzen leisten mir Gesellschaft.

Sabine Hoß

 

 

 

 

 

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