Da die Schule den 15-jährigen Jungautor sehr vereinnahmt und Paul die Oster-Ferien nicht mit dem Beantworten von Fragen Erwachsener vertrödeln will, die schließlich auch in seinem Buch beantwortet werden ;-), möchte ich dennoch gerne auf das interessante Interview hinweisen, das die Presseleiterin von Ullstein, Katharina Ilgen, mit Paul Bühre geführt hat:
Worum geht es in Deinem Buch Teenie Leaks?
Paul Bühre:
Ich versuche den Erwachsenen Sachen zu erklären, die sie nicht verstehen, oder mit denen sie sich nicht auseinandersetzen wollen oder was weiß ich warum. Ich möchte der Erwachsenenwelt unsere Welt erklären.
Welches sind denn die größten Missverständnisse zwischen Teenies und Erwachsenen?
Paul Bühre:
Die größten Missverständnisse sind, dass wir alle total süchtig nach Computerspielen sein sollen. Und dann, dass die ganze Generation pornografie-verdorben sein soll, oder dass wir alle unglaublich konsumorientiert sind. Das sind so die größten Punkte.
Der Untertitel Deines Buches lautet: was wir denken, wenn wir nichts sagen. Was denkt ihr, wenn ihr nichts sagt?
Paul Bühre:
Wenn wir nichts sagen, dann kann das ganz viele unterschiedliche Gründe haben. Vielleicht hat man eine schlechte Note geschrieben, oder man wurde im Sport als letzter in die Mannschaft gewählt. Das ist ja das schlimmste, das Trauma eines jeden Jungen. Oder man hat Liebeskummer, das Mädchen deiner Träume hat irgendwas missverstanden, du hast irgendwas gar nicht so gemeint, oder generell der Tag ist einfach gelaufen. Dann kommst du nach Hause, willst dich einfach entspannen, und dann kommen deine Eltern und wollen sofort alles wissen, wollen dich wie so einen Schwamm auswringen: Was hattest du in der ersten Stunde? Was ist in der großen Pause passiert? Hast du Liebeskummer? Es gibt so ein paar Punkte, die immer abgehakt werden. Auch so Dinge, die für mich völlig uninteressant wären. Also was ich in der ersten Stunde hatte, Latein, nicht so spannend irgendwie…
Aber die Fragen der Eltern sind ja nicht böse gemeint. Ist es nicht auch nett, dass sie sich interessieren?
Paul Bühre:
Schon. Aber selbst wenn jetzt was wirklich Schlimmes passiert ist, dann möchte man das vielleicht nicht gleich am ersten Tag erzählen. Vielleicht ist man noch nicht bereit dafür. Vielleicht möchte man erst an einem anderen Tag darüber reden. Zum Beispiel hat man vielleicht eine Fünf in Mathe geschrieben, und das möchte man dann gerne ein paar Tage später mit einer guten Note verpacken. Dass man sagt, ich hab in Kunst eine Eins, aber Mathe war nicht so gut…
Welches sind überlebenswichtige Tools, die man als Teenie heute braucht?
Paul Bühre:
Auf jeden Fall wichtig ist ein gutes Handy, und das wichtigste ist, dass man WhatsApp hat, weil da läuft eigentlich alles. Da haben wir den Klassenchat, auf dem wir uns die Hausaufgaben schicken. Filme sind auch sehr wichtig. Horrorfilme. Wenn dir deine Eltern das verbieten, dann sieht es für den Filmenachmittag oder den Chillabend den du für deinen Geburtstag geplant hast nicht so gut aus. Und gute Kopfhörer würde ich auch noch als wichtig einstufen.
Kopfhörer?
Paul Bühre:
Die Kopfhörer, genau. Also es gibt unterschiedliche Arten von Kopfhörern, die großen, und die kleinen. Damit kann man nicht nur Musik hören, sondern auch andere Sachen machen. Die großen, die kann man sich einfach um den Hals legen, wie so einen Schal. Vielleicht ist es für uns das, was früher das Palästinenser Tuch war, von dem meine Mutter mir mal erzählt hat. Oder aber man kann sie aufsetzen und nur so tun, als ob man Musik hört, obwohl man die Musik aus hat, und einfach nicht reagieren, wenn einer mit einem redet. Dann hat man seine Ruhe. Die kleineren Kopfhörer, die kann man einfach so aus dem T-Shirt raushängen lassen. Mit denen kann man auch zu zweit Musik hören, das machen vor allem Mädchen gerne, oder man macht nur einen rein, dann kann man Musik hören und so cool tun, und noch mit anderen Leuten reden. Ja, mit Kopfhören kann man ganz schön viel anstellen.
Warum spielt ihr so gerne Computerspiele?
Paul Bühre:
Computerspiele machen vor allem Spaß! Naja, und es geht viel schneller, als erst mal zur Fußballwiese zu laufen. Man kann zuhause den Computer aufklappen, und dann ist man online und spielt mit seinem Kumpel zusammen. Und am nächsten Tag kann man sich darüber unterhalten, worum es in dem Spiel geht, was einem gefällt und was nicht.
Und was sagen Deine Eltern dazu?
Paul Bühre:
Wenn ich ein Spiel spiele, dann hat meine Mutter früher immer gesagt, lies doch lieber ein schönes Buch. Das Ding bei mir ist nur, dass ich mich in einem Buch genau so verlieren kann wie in einem Computerspiel! Lesen ist ja auch nicht gerade sozial.
Bei Eltern schwingt ja immer die Angst mit, dass ihre Kinder nach den Spielen süchtig werden…
Paul Bühre:
Es gibt bei uns auch einen Punkt wo wir sagen würden, da ist jemand süchtig. Wo wir auch kein Verständnis dafür haben. Vor allem wenn soziale Kontakte vernachlässigt werden. Also wenn sich jemand wegen einem Spiel nicht mehr mit seinen echten Freunden treffen würde, wäre das einfach krank. Aber das habe ich noch nie erlebt. Meine Freunde und ich, wir machen alle zum Beispiel sehr gerne und sehr viel Sport. Ich kenne Leute, die machen sieben mal in der Woche Sport, weil sie in der Nationalmannschaft sind, und die spielen genau so Computerspiele wie andere Leute, und die vernachlässigen auf gar keinen Fall ihren Sport. Der ist ihnen immer noch sehr wichtig. Und es ist eigentlich nie so, dass das Spiel überhand nimmt.
Ihr habt schon in einem Alter Pornos gesehen, da wussten wir noch gar nicht, wie man das buchstabiert. Wann hast Du zum ersten Mal einen gesehen?
Paul Bühre:
Da bin ich gerade aufs Gymnasium gekommen. Ein Kumpel hatte so ein Filmchen auf dem Handy dabei. Ich fand es ziemlich merkwürdig.
Wenn Du Dich verliebst, hast du dann nicht diese Bilder im Kopf?
Paul Bühre:
Nein, das hat relativ wenig zu tun mit verliebt sein. Das kann man schon auseinander halten. Wenn man verliebt ist, dann geht’s erst mal darum, dass man überhaupt was mit der Person zu tun haben möchte. Man möchte nicht sofort mit ihr ins Bett, sondern man möchte sich mit ihr unterhalten, vielleicht Tee trinken. Einfach wahrgenommen werden.
In deinem Buch widmest du ein ganzes Kapitel den Klamotten, die die Mädchen tragen…
Paul Bühre:
Ok, was Mädchen so anhaben heutzutage, da schüttelt man ja manchmal den Kopf. Also Mädchen tragen zum Beispiel gerne Hotpants. Erst haben die eigentlich noch die Pobacken bedeckt, aber langsam wandert das so hoch… Und bei Hemden, vor allem bei T-Shirts gibt’s ja ganz viele Varianten, mit Löchern oder irgendwie mit Netzen eingearbeitet. So dass man natürlich den BH sehen kann. Als Junge guckt man schon irgendwie hin, weil es einen interessiert, aber man soll natürlich nicht hingucken. Was merkwürdig ist, weil warum laufen Mädchen so rum, wenn man nicht hingucken darf? Who knows? Ich weiß nicht, ob die Mädchen das selber wissen.
Wenn Du Dich in ein Mädchen verliebt hast, wie sagst du ihr das?
Paul Bühre:
Wie macht man sich an die Mädchen ran, ja das ist eine Frage, die man sich als Junge auch sehr oft stellt. Facebook ist auf jeden Fall eine Variante. Das ist halt einfacher, als auf das Mädchen direkt zuzugehen. Braucht etwas weniger Mut, als wenn man dem Mädchen direkt gegenüber steht, und um sie herum stehen ihre Freundinnen und geben ihre schlauen Kommentare ab.
Und woran merkst Du, ob sie Interesse hat?
Paul Bühre:
Also wenn sie dir schnell antwortet ist sie vielleicht doch interessiert, was mit dir zu machen. Und wenn sie erst am nächsten Tag antwortet, obwohl sie vorher schon mal online war, das kann man ja sehen, dann merkt man, ok, vielleicht chattet sie auch noch mit sechs anderen Leuten und sagt denen genau das selbe. Also da malt man sich die komischsten Sachen aus. Aber die größte Gefahr ist, gefriendzoned zu werden.
Bitte?
Paul Bühre:
Friendzone das bedeutet, dass man mit dem Mädchen sehr gut befreundet ist, und man möchte eigentlich mehr von ihr, aber sie checkt’s nicht oder möchte es gar nicht wissen oder was weiß ich. Also man ist eigentlich nur der Knuddel, der beste Freund. Und einerseits möchte man sie schon fragen, wollen wir nicht mal auf ein Date gehen? Aber andererseits möchte man es ja auch nicht kaputt machen. Das ist so eine Art Teufelskreis. Da kommt man ganz schwer raus.
Du hast im Buch so eine Art 10 Gebote für Eltern aufgeführt. Welche sind davon besonders wichtig?
Paul Bühre:
Ein wichtiges Gebot an die Eltern ist, dass wir ruhebedürftig sind. Dass wir wirklich Zeit für uns brauchen. Und dass wir auf gut gemeinte Ratschläge nicht eingehen, weil wir Fehler erst mal selber machen müssen und eigene Erfahrung sammeln wollen. Auch wenn die Eltern natürlich viel älter sind und weiser. Das wissen wir auch, aber bei machen Sachen will man es vielleicht nicht glauben.
Was noch?
Paul Bühre:
Eltern sollten darauf achten, wann sie in unser Zimmer dürfen, wann wir ihnen das auch erlauben so zusagen. Wenn ich in meinem Zimmer bin, dann möchte ich für mich alleine sein. Dann ziehe ich mich zurück, an mein Zufluchtsort so zusagen. Man hat ja dieses Haus, das man mit allen teilt, und wenn man in seinem Zimmer ist, ist das der einzige Ort, an dem man sich selber alles einrichten kann, in dem man die Schuhe in die Gegend werfen kann, und wo einem eigentlich niemand sagen sollte, was man zu tun hat. Weil es ist vielleicht so sein eigenes kleines Königreich.
Mehr Freiraum?
Paul Bühre:
Ja! Und ich möchte mehr Entscheidungen selber treffen. Zum Beispiel, wann ich ins Bett gehe. Wenn ich am nächsten Morgen unausgeschlafen bin, dann geht’s ja vor allem mir schlecht. Oder so Sachen die man früher gemacht hat, wie Wandern gehen mit den Eltern, dass man sagen kann, ich habe jetzt keine Lust mehr dazu. Ich möchte selber bestimmen, ob ich mitkomme, oder ob ich mit meinen Freunden was mache. Das ist mir wichtig.
Gibt’s zum Schluss auch ein Kompliment an die Eltern?
Klar! Egal was wir machen – wir haben unsere Eltern immer noch lieb. Auf wenn wir respektlos mit Ihnen umgehen, und Scheisse bauen. Ich glaube, es gibt fast niemanden, keinen Jungen oder Mädchen, das wirklich so sauer auf seine Eltern ist, dass es wirklich über sie denkt. Aber wir tun natürlich alles mögliche um das zu verbergen.
Interview: Ullstein Verlag, Katharina Ilgen, Friedrichstr. 126, 10117 Berlin
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