Nach seiner Arbeit als Background-Artist im damaligen Londoner Walt Disney Studio sowie in Steven Spielbergs Amblimations-Studio begann Walko (Walter Kössler) vor acht Jahren Kinder- und Jugendbücher zu schreiben und zu zeichnen. Neben seiner erfolgreichen Bilderbuchserie „Hase und Holunderbär“ erschien nun sein erstes Kinderbuch „Der Hutz“. Ein guter Anlass für ein Interview mit dem sympathischen und humorvollen Autor und Zeichner an einem ganz besonderen Ort.
Erwachsene sind ja manchmal etwas sperrig und kompliziert im Gegensatz zu Kinder. Wie möchten Sie angesprochen werden: Walko, Herr Walko, Herr Kössler oder Walter?
Walko:
Unter Zeichnern und Schreibern redet man sich in der Regel mit Vornamen an und duzt sich. Damit fühle ich mich am wohlsten…. also Walter. Für´s Interview vielleicht aber doch am besten „Walko“, denn als solchen kennen mich die Leser.
Wir sitzen unter einer wunderschönen Linde in München am Nymphenburger Kanal. Ein Ort, der zum Verweilen und Träumen einlädt. Gibt es hier eine Verbindung zu Deiner neuen Kinderbuchfigur, dem Hutz?
Walko:
Aus irgendeinem Grund haben es mir alte Bäume immer schon angetan. Je älter, knorriger und abgekämpfter sie sind, desto besser. Diese Linde hier kenne ich seit langer Zeit. Obwohl ich kein Baumflüsterer bin, ist sie für mich wie ein alter Freund. Ich komme oft hier vorbei und bleib dann ein wenig, um nachzudenken, meistens über meine Geschichten…..viele meiner Stories haben hier ihren Anfang genommen.
Dieser Baum ist uralt und würde ohne seine Stahlkrücken schon lange nicht mehr stehen. Die Äste sind zu großen Teilen hohl, trotzdem blüht er jedes Jahr wie zu seinen besten Zeiten und verschönert diesen Ort. Ich hab mir gedacht, wie schade es wäre, wenn es ihn nicht mehr gäbe und wie toll, wenn es ein Wesen gäbe, das ihn beschützt. Ein wenig später kam ein Hund daher und blieb wie eine Statue vor der Linde sitzen. Damit war die Idee für den Hutz in Hundetarnung geboren.
Ich hab das Ganze dann mit einer anderen Idee verbunden. Ein Junge, leicht Spiele-süchtig und mit allen möglichen Problemen der Pubertät, findet durch die Freundschaft mit einem phantastischen Wesen zu sich selbst ….
Hutz gehört zum Stamm der Arboori, die sich um Bäume kümmern, die alt, krank sind oder in Gefahr, gefällt zu werden.
Steckt in Dir auch ein kleiner Arboori; bist Du ein sehr naturverbundener Mensch?
Walko:
Ja bin ich. Tatsächlich sind wir ja alle „naturverbunden“. Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen sie. Nur, manche werden es erst merken, wenn alles kaputt ist. Stichwort: kurzsichtige wirtschaftliche Verbrechen an der Umwelt, Raubbau im Interesse der Industrie, Abholzung ganzer Wälder für Schigebiete, usw.
Die Arboori im Buch sind keine Superhelden des Umweltschutzes. Sie beschützen unmittelbar gefährdete Bäume, erfüllen eine Aufgabe, die sie sich selbst gestellt haben. Es gelingt ihnen nicht immer, doch sie bemühen sich (abgesehen vom Hutz vielleicht☺)….
Wenn jeder von uns seinen kleinen Teil zum Schutz der Umwelt beitragen würde, bzw. sich ein wenig dort engagierte, wo offensichtlich der Hut brennt, dann müsste wir uns um die Natur keine großen Sorgen machen.
Hutz kann sich als Arboori bei Bedarf in einen Hund verwandeln.
Welche Inspirationen hattest Du für diese Figur?
Träumst Du auch davon, in bestimmten Situationen in eine andere Gestalt zu schlüpfen und wenn ja, in welche und warum?
Walko:
Die Arboori Wesen müssen sich tarnen, um ungestört von den Menschen ihre Mission erfüllen zu können. Für meine Mission, Kinder mit meinen Geschichten zu unterhalten, brauche ich eigentlich keine Verkleidung.
Ich würde mir allerdings wünschen, dass die Bekämpfer großer Verbrechen solche Fähigkeiten hätten, das wäre bestimmt von großem Vorteil.
Wünschst Du Dir insgeheim einen Hutz in Deinem Garten?
Walko:
Mir reicht eigentlich der in meinem Kopf.
Aber im Ernst. Der Hutz verkörpert für mich die magischen, verblüffenden Dinge auf der Welt, die sich oft vor uns verstecken und auf die man überraschenderweise trifft. Davon gibt es jede Menge. Abgesehen von den schlechten Nachrichten lese ich jeden Tag über verschiedenste Entdeckungen, z. B. von neuen Spezies in der Tierwelt, von verschollenen Orten, unglaublichen Phänomenen. Aus Zeitungen und dem Internet, erfährt man täglich erstaunliche Dinge, von denen man bislang nichts wusste. Das finde ich magisch und das sind meine „Hutze im Garten“.
Der Junge, der neben Hutz die weitere Hauptrolle in diesem Buch spielt, heißt Elvis. Bist Du ein Elvis-Fan?
Walko:
Ich mag manche Elvis Songs, aber eine Vorliebe für ihn habe ich nicht.
Ich habe dem Jungen diesen Namen verpasst, um von vorneherein seine Aussenseiter-Rolle zu unterstreichen. Es ist wirklich so, dass gewisse Namen nicht sehr dienlich sind, von anderen ernst genommen zu werden. Vor allem in der Kindheit ist das verstärkt der Fall. Wahrscheinlich ist dieser Name bei uns hier auch deshalb vergleichsweise selten.
Arbeitest Du immer noch als Background-Artist und Produktions-Designer für Animations-Spielfilme und TV-Serien oder hast Du heute Deinen Fokus komplett als Kinder- und Bilderbuch-Autor/Illustrator gesetzt?
Walko:
Ich mache jetzt seit Langem ausschließlich noch Kinder- und Jugend-Bücher. Eigene Geschichten zu schreiben und zu illustrieren fand ich immer schon reizvoller als „nur“ zu zeichnen. Es hat ein wenig gedauert, bis ich den Mut gefasst habe. Als ich schließlich damit begonnen habe, wollte ich dann nicht mehr aufhören. Ich möchte aber auch die Zeit beim Animationsfilm nicht missen. Es war schön, mit so vielen talentierten Leuten zusammenzuarbeiten und ich hab dort Wesentliches für jede Art von Geschichten gelernt und meine Zeichen- und Mal-Techniken verbessert.
Doch jetzt bin ich schon lange Kinderbuch-Autor und –Illustrator. Und das mag ich mehr, als alles, was ich vorher gemacht habe.
Als Illustrator/Zeichner steht das Bild im Vordergrund, bei einem Kinderbuch der Text. War das für Dich auch eine persönliche Herausforderung, nach den Bilderbüchern mit „Hutz“ zum ersten Mal einen langen Text zu schreiben?
Walko:
Es hat sich einfach so entwickelt. Es war nicht so, dass ich unbedingt einmal einen dicken Schinken schreiben wollte. Ich hatte nur auf einmal die Idee zu einer längeren Geschichte, die dies erfordert hat. Ich war auch ein bisschen nervös, weil es ja meine erste umfangreichere Story war. Ich hab mich aber nie als Zeichner gefühlt, der plötzlich schreibt, sondern immer als Erzähler von Geschichten, der diese selbst illustriert.
Schon als Kind habe ich Gedichte und Kurzgeschichten verfasst und Comic strips gezeichnet. Am wichtigsten war mir dabei immer der Inhalt, nicht die Bilder. Beim Trickfilm bin ich gelandet, weil man dort für´s Zeichnen gut bezahlt wurde. Es hat mir auch viel Spaß gemacht, aber auch dort war ich sauer, wenn die Story schlecht war. Ich bin dann später zum Kinderbuch gewechselt, damit ich endlich meine eigenen Geschichten erzählen konnte.
Bei relativ einfachen Texten wie ich sie schreibe, ist es meiner Meinung nach kein großer Unterschied, ob das Buch 48 Seiten hat oder 208. Ich fand den längeren Text eigentlich nicht schwieriger. Wie es mir gelungen ist, das werden letztendlich jedoch die Leser entscheiden.
Lässt Du die Geschichte sich während des Schreibens entwickeln oder machst Du zu Beginn am Reißbrett schon einen ziemlichen genauen Plan, welche Figuren mitspielen und welchen Verlauf die Story nimmt?
Walko:
Nach meiner Philosophie gehört es zur Natur der Sache, eine konkrete Geschichte erzählen zu wollen, nicht irgendwie eine zu konstruieren, weil man nun mal vom Schreiben leben will. Das kann eigentlich nicht gutgehen, finde ich. Zumindest funktioniert es für mich nicht.
Es ist also nicht so, dass ich z. B. nur einen Anfang und einen Schluss habe und alles andere dann „schon kommen wird“. Ich weiß immer ziemlich genau, was alles passieren soll, wenn ich loslege. Aber natürlich kommen während des Schreibens noch Ideen hinzu und es kann passieren, dass sich noch einiges ändert. Innerhalb des Handlungsrahmens lasse ich gerne auch den Zufall und den momentanen Geistesblitz mitspielen.
Welche Bücher liest Du gerne? Hast Du Lieblingsgenre und Autoren?
Walko:
Als Kind habe ich Abenteuerbücher, allen voran fast sämtliche Karl May Bände, geradezu verschlungen.
Heute lese ich recht gerne Musiker-Biografien (Abteilung Rock) und Romane. Im Moment gerade einen uralten Roman von James Jones “Verdammt in alle Ewigkeit – einfach toll…
Ich mag auch neuere Autoren ganz gerne, aber am liebsten sind mir alte Klassiker wie John Steinbeck, James Mitchener , John Irving, Irwin Shaw u.a….
Mein Lieblingsroman ist „Wer die Nachtigall stört“ von Harper Lee. Ich habe auch ein paar Bände Harry Potter und die Chroniken von Narnia mit Vergnügen gelesen. Mein absoluter Favorit unter Kinderbüchern ist Winnie the Pooh von A. A. Milne im englischen Original.
Viele Erwachsene haben Hemmungen, ihren Kindern vorzulesen. Kannst Du das verstehen? Liest Du gerne und viel (Kindern) vor?
Walko:
Ich habe es immer sehr genossen, meinem Sohn Max täglich etwas vorzulesen. Es war toll, wenn er völlig gefesselt zugehört hat… er ist es nie müde geworden. Ich kann eigentlich nicht verstehen, dass jemand darauf keine Lust oder Hemmungen davor hat. Außer derjenige hat eine große Leseschwäche, das ist dann etwas Anderes.
Bei Lesungen trage ich meine Geschichten ziemlich selten vor, denn ich habe keine sehr gute Erzählerstimme für ein größeres Publikum.
Sind Erwachsene manchmal etwas zu kritisch, wenn es um die Bewertung von „guten“ (= pädagogisch, moralisch wertvoll) Kinderbücher sind?
Was macht für Dich ein „gutes“ Kinderbuch aus?
Walko:
Was wirklich ein „gutes“ Kinderbuch ist, weiß ich nicht. Ich persönlich bemühe mich, Bücher zu schreiben, welche die Kids gerne lesen, oder aber gerne vorgelesen bekommen (und auch die Vorleser sollen nach Möglichkeit ein wenig Spaß daran haben). Ein gutes Zeichen ist, wenn die Kleineren eine Geschichte immer wieder hören wollen, bzw. bei einer Serie unbedingt den nächsten Band haben wollen. Grundsätzlich versuche ich, etwas zu erzählen, wovon ich glaube, es hätte mich als Kind auch interessiert.
Ich muss leider zugeben, dass ich nicht weiß, wie man Bücher „pädagogisch wertvoll“ macht, also versuche ich das gar nicht. Wohl aber gebe ich meine Wertvorstellungen weiter…. doch möglichst nicht wie ein Lehrer. Und ich lege großen Wert auf die Moral der Geschicht´.
Hutz ist ein schräger, witziger Vierbeiner, mit frechem Charme und auch Fehlern, was ihn so sympathisch macht. Wird es ein Wiedersehen mit ihm und Elvis geben?
Walko:
Ja, auf jeden Fall! Im Moment schreibe ich gerade an Band zwei. Hutz´ und Elvis´ Probleme sind nämlich noch lange nicht vorbei.
Der Hutz macht sich diesmal auf in die große Stadt, um dort Elvis und Lena zu besuchen. Das erweist sich als großer Fehler. Denn erstens hat Häuptling Tschiwauwi etwas dagegen und zweitens lebt in der Stadt jetzt der ehemalige Paparazzo Jo SMart…. er arbeitet neuerdings bei einem Trash TV-Sender….
Und auch für Walko die letzten drei „Bücher leben!“-Fragen:
Wann schreibst/zeichnest Du? (morgens, mittags, abends, immer)
Walko
Ich bemühe mich, gleichmäßige Arbeitszeiten einzuhalten. In der Regel wird also tagsüber gearbeitet und abends entspannt. Es gibt aber auch Zeiten, wo ich bis spät in die Nacht schreibe oder zeichne, weil ich im Verzug bin oder gerade so im Fluss, dass ich gar nicht aufhören kann.
Dafür nehme ich mir zum Ausgleich auch mal kurzfristig frei, z. B. wenn das Wetter einmal wieder zu herrlich ist, um am Schreibtisch zu sitzen. Das ist einer der Vorteile eines Freischaffenden.
Aber in meinem Beruf kann man Freizeit und Arbeit sowieso nicht vollständig trennen. Die besten Ideen kommen einem manchmal in der „Freizeit“ zugeflogen und prompt ist man am notieren und skizzieren. Aber grundsätzlich folgt auch mein Tag dem bekannten Prinzip: nach der Arbeit kommt das Spiel…..
Wie schreibst/zeichnest Du? (per Hand/am Zeichentisch, per PC, ???)
Walko:
Ich mache mir bei allen Gelegenheiten Notizen und Skizzen auf einen Block, der immer dabei ist.
Die Illustrationen werden auf Papier gezeichnet und mit Wasserfarben und Stiften bemalt, oft aber auch digital koloriert.
Was das Schreiben betrifft – ich mag die Vorstellung, meine Texte auf einer klapprigen alten Schreibmaschine zu tippen. Ich schreibe aber am PC – das finde ich einfach praktischer und angenehmer.
Wo schreibst Du? (Arbeitszimmer, Küchentisch, Baumhaus, überall)
Walko:
Die Ideen zu meinen Geschichten kommen mir an den unterschiedlichsten Orten, meistens auf Spaziergängen. Wo auch immer es ist, wird es gleich notiert, damit im Kopf wieder Platz für anderes ist.
Die richtige Schreib- und Zeichenarbeit passiert aber in meinem Arbeitszimmer.
Sabine Hoß